Ist Europa noch zu retten? Plädoyer für eine soziale Bildungspolitik

Ist Europa noch zu retten? Plädoyer für eine soziale Bildungspolitik von Bauer,  Renate, Kriesel,  Peter, Liénard,  Georges, Mueller,  Volker, Porsche,  Heiko, Prem,  Horst
„Ist Europa noch zu retten? – Plädoyer für eine soziale Bildungspolitik“ – unter diesem Motto stand das Seminar vom 27.–29.1.2006 in der Franken-Akademie in Schney. Das Thema wird immer aktueller. Denn mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft zum 1.1.2007 durch Deutschland sollen neue Ini-tiativen gestartet werden, um den festgefahrenen EU-Verfassungsentwurf zu reanimieren. Eingeleitet wurde das Seminar durch Thesen von Dr. Volker Mueller (Falkensee) und Horst Prem (Ottobrunn), die auf Grundfragen der Werteerziehung in der Gegenwart, auf das nicht mehr vorhandene Monopol der Religionen und die Notwendigkeit der Allianz für Toleranz und Nicht-Diskriminierung in Europa, ja auf der Erde eingingen. Die konkrete Situation der Wertevermittlung in Schule und Gesellschaft beleuchteten Renate Bauer (Ludwigshafen) und Peter Kriesel (Brandenburg/Havel). Der Respekt vor Traditionen und kultureller Vielfalt führe auch zu neuen Herausforderungen für die Schule, die integrierend und werteorientierend tätig sein soll. Berlins Bestrebungen, ähnlich wie in Brandenburg mit „LER“ einen Ethikunterricht für alle einzuführen, wurde hierbei als besonders zukunftsträchtig herausgearbeitet. Dr. Georges Liénard von der Europäischen Humanistischen Föderation (Brüssel) ging auf Probleme der Vermittlung von humanistischen Grundwerten und Menschenrechten für alle in der Europäischen Union ein und stellte die aktive Mitwirkung der freigeistigen-humanistischen Verbände als wesentlich heraus. Heiko Porsche (Hamburg) rundete die Thematik mit seinen Ausführungen über den bevorstehenden Abschluss der Staatsverträge des Landes Hamburg mit den beiden christlichen Kirchen ab, in denen er die unzeitgemäße Privilegierung nur einer Religion und ihrer kirchlichen Institutionen kritisierte. Insgesamt haben die Seminarteilnehmer folgende Ergebnisse festgehalten: – Es macht Sinn, ähnlich wie in Brandenburg (LER) und nun auch in Berlin (Ethik und Kulturen), für alle Schüler/innen einen integrativen Werteunterricht einzuführen, der Nicht-Diskriminierung und Toleranz mehr in den Vordergrund der Werteerziehung stellt. – Das Projekt der EU, eine Europäische Staatsbürgerlichkeit (European Citizenship) zu entwickeln, wird ausdrücklich unterstützt. Europa ist eine Wertegemeinschaft und nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft! Dabei suchen und unterstützen wir Wege für engere Zusammenarbeit und mehr Miteinander in Europa. Hierfür initiieren und fördern wir den europaweiten Austausch zur Weiterentwicklung der Werteerziehung z.B. durch Lehrerkonferenzen sowie Jugendaustausch. Wenn die EU auf eine Wirtschaftsgemeinschaft mit globalen Partikularinte-ressen reduziert wird und die bildungspolitischen Fragen hinsichtlich eines gemeinsamen Werteverständnisses in einem multireligiösen Europa nicht aufgegriffen werden, dann wird es kein vereintes Europa eines gemeinsamen Werteverständnisses geben. In der Präambel des EU-Verfassungsentwurfes blitzt zwar die geistige Spannweite Europas kurz auf, in der praktischen Politik in Deutschland werden aber die Grundprinzipien wie Toleranz und Nichtdiskri-minierung, Trennung von Kirche und Staat durch Regierungsmitglieder eklatant verletzt. Man denke nur an den unseligen Auftritt von Ursula von der Leyen bei der „Verkündigung“ des Bündnisses für Erziehung. Die wirtschaftlichen Partikularinteressen werden zur Erosion des europäischen Gedankens führen – mit all ihren Konsequenzen bis hin zur Gefährdung der Friedensordnung. In dieser Gemengelage einen Verfassungsentwurf vorzulegen, der grundsätzlichen Prinzipien wie z.B. dem der Gewaltenteilung nicht genügt – damit ist Europa nicht zu retten!
Aktualisiert: 2022-04-24
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Menschenrechte statt Extremismus

Menschenrechte statt Extremismus von Christensen,  Olaf, Deppert,  Wolfgang, Last,  Jörg, Möller,  Eike, Paul,  Manfred J., Porsche,  Heiko, Prem,  Horst
Das Wort „Menschenrechte“ oder „Rights of Men“ oder „fundamental Rights“ wird in der Welt viel verwendet. So begründete unser Bundespräsident Gauck seine Absage der Teilnahme an den Eröffnungsfeierlichkeiten der olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi damit, dass in Russland die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Für unser Thema „Menschenrechte statt Extremismus“ ist die UN-Menschenrechtserklärung vom 10.12.1948 zugrunde gelegt worden. Diese UN-Resolution ist nur unter dem Druck einiger französischer Intellektueller, wie z.B. Camus und Sartre, sowie der Amerikaner Garry Davis und Eleonor Roosevelt, auf die Tagesordnung der UNO-Vollversammlung gesetzt worden, die damals in Paris tagte. Ihre Motivation unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war ihre Überzeugung, dass extremistische Systeme wie das Dritte Reich von 1933–1945 durch eine weltweite Einigung auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verhindert werden können. Der Vorläufer dieser Menschenrechtserklärung waren die 1789 verfassten Menschenrechte, die Bestandteil der französischen Verfassung sind (siehe Heftcover). An deren Entstehung war Thomas Paine maßgeblich beteiligt, der in seinen Schriften unitarische Auffassungen erkennen lässt. Ihm sind zwei Kapitel gewidmet. In diesem Zusammenhang wird aufgezeigt, dass die Menschenrechte erst 2002 mit der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag aus dem Status moralischer Appelle in den Status exekutierbaren Rechts erhoben wurden. Die Frage, ob die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die die Basis der Zusammenarbeit innerhalb der UNO ist, auch eine Basis für eine Verständigung auf weltweite Werte sein und somit zur Eindämmung des Extremismus führen kann, wird in einem weiteren Kapitel behandelt. Darin wird auf die inneren Widersprüche in Systematik und Ordnung der Menschenrechtserklärung eingegangen. In den nachfolgenden beiden Kapiteln wird durch praktische Beispiele aufgezeigt, dass durch die fehlende innere Ordnung der Menschenrechte Schwierigkeiten auftreten können, die mit den Mitteln und im Sinne der bestehenden Menschenrechte nicht gelöst werden können. Auf jeden Fall muss entschieden festgestellt werden, dass die Menschenrechtserklärung – auch in der jetzigen Form – eine Basis einer allgemeinen Ethik sein kann. Inwiefern die Deutschen Unitarier in ihren Grundgedanken stärker Bezug nehmen sollten auf die Menschenrechtserklärung und Thomas Paine ist eine noch zu klärende Frage. In den abschließenden Gesprächen wird das Problem des Extremismus in unserer Gesellschaft behandelt. Zu dessen Lösung wird eine Verbreitung einer individualen Verantwortungsethik gesehen, die das Verstehensprinzip befolgt. Langfristig müssen die dafür notwendigen Grundhaltungen durch einen Erziehungsprozess in den Schulen angestrebt werden. In einem integrierenden Fach Ethik, das die Menschenrechte, die Toleranz und die Erziehung zur weltbürgerlichen Gesinnung in einer Weltrisikogesellschaft zum Mittelpunkt hat und verbindlich für alle Schüler/innen ist, wird ein konstruktiver Beitrag zur Lösung gesehen.
Aktualisiert: 2020-01-21
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