Die Zunahme der Straßennetzdichte, des Verkehrsaufkommens und der Motorisierung einerseits sowie die regional z. T. wachsende Wilddichte und die zunehmende Zerschneidung von Wildwechseln andererseits erhöhen das Risiko von Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Tieren. Fahrzeuginsassen können entweder durch den direkten Aufprall mit dem Wildkörper oder durch Ausweichmanöver verletzt oder gar getötet werden und es entstehen oft hohe Sachschäden. Auf der anderen Seite gefährdet die Straßenverkehrsinfrastruktur und deren Betrieb Tiervorkommen auf verschiedene Weise, z. B. aufgrund erheblicher Barrierewirkungen oder aufgrund hoher Tierverluste. Das Forschungsprojekt leistet zwei Beiträge zum Themenkomplex Wildunfälle. Zum einen wurde eine Methode zur Identifizierung von Wildunfallhäufungsabschnitten entwickelt und diese bei gegebener Datengrundlage bundesweit angewandt (I.). Zum andern erfolgte eine Übersicht und Bewertung der bundesweit eingesetzten Wildschutzzaunsysteme, um Vorschläge zur Verbesserung abzuleiten (II.). I. Für den Zeitraum von 2012-2017 wurden bundesweit Wildunfalldaten abgefragt. Der Rücklauf ergab mehr als 800.000 Wildunfalldaten, die geografisch verortet und mithilfe von GIS-Programmen analysiert werden konnten. Die meisten Bundesländer sowie das Tierfund-Kataster Deutschland stellten auswertbare Daten zur Verfügung. Im Rahmen der Auswertung konnten dann 30.393 Wildunfallstrecken für den Zeitraum von 2012 bis 2017 ermittelt werden, die das Kriterium von mindestens 6 Unfällen mit einem maximalen Abstand von 200 m zwischen zwei Wildunfallpunkten erfüllen. Diese Wildunfallstrecken bilden 56,6 % aller gemeldeten Wildunfälle ab. Betroffen sind davon aber nur 4 % des Straßennetzes (29.580 km von 738.145 km). Auf 11.912 Streckenabschnitten liegt die Wildunfalldichte oberhalb von 15 Wildunfälle/ km. Wildunfallstrecken mit > 15 Wildunfällen werden als Wildunfallhäufungsabschnitte definiert. Die wichtigsten Wildunfallhäufungsabschnitte können durch das Projekt für einen Großteil der Bundesländer bzw. deren Landkreise nunmehr lagegenau dargestellt werden. Hier sollten Vermeidungsmaßnahmen prioritär durchgeführt werden. Für die Gebietskörperschaften, wie z. B. Landkreise oder Gemeinden, ohne geeignete Datengrundlagen sollte das Meldesystem möglichst schnell verbessert werden. Wildunfallstrecken mit hoher Stetigkeit, d. h. mit signifikanter Ereigniskontinuität, müssen noch ermittelt werden. Weitere Empfehlungen zum Umgang mit Wildunfällen sind: 1. Die Entwicklung eines bundesweit einheitlich anwendbaren und gut auswertbaren Meldeverfahrens, mit dem Wildunfallhäufungsabschnitte verschiedener Intensitätsstufen fortlaufend ermittelt werden können. Für ein solches Meldeund Auswertesystem sind qualitative Mindestanforderungen an die Meldungen abzustimmen und es beinhaltet die Bereitstellung von Auswertungsroutinen zur gewichteten Ermittlung von Wildunfallhäufungsabschnitten. Dazu sollten die Datenschnittstellen der einzelnen Unfallerfassungsprogramme der Bundesländer vereinheitlicht werden und Folgendes bereitstellen: a. Module zum Export einheitlicher Geodaten, b. Zugang zu anonymisierten Unfallhergangsbeschreibungen, um die verursachenden Tierzarten zu ermitteln (alternativ: Nennung der unfallverursachenden Tierarten). 2. Langfristig sollte das Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz (StVUnfStatG) dahingehend geändert werden, dass alle Unfälle an das Statistische Bundesamt übermittelt werden. 3. Die landschaftlichen und straßenraumbezogenen Merkmale (Charakteristika), die die Herausbildung von Wildunfallhäufungen begünstigen, sollten auf Basis der Wildunfallhäufungsabschnitte für eine gezieltere Prävention ermittelt werden. II. Die Anwendung von Wildschutzzäunen in Deutschland erfolgt nach den Wildschutzzaunrichtlinien (WSchuZR), die zuletzt 1985 novelliert wurden. Im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und veränderter Rahmenbedingungen werden die Regelungen in den WSchuZR jedoch in vielen Belangen nicht mehr den aktuellen Verhält¬nissen gerecht. Dies zeigt sich z. B. an den flächendeckend angestiegenen Wilddichten in Deutschland, die mittlerweile die in den WSchuZR zugrunde gelegten Dichten für einen Handlungsbedarf erheblich übertreffen, sowie in der unzureichenden Pflege von Wildschutzzäunen und im Artenschutz, die in den WSchuZR bisher nicht berücksichtigt werden. Die Befragung von Zuständigen des Unterhaltungsdienstes für Bundesfernstraßen in zehn Regionen führte zum Ergebnis, dass Wildschutzzäune gemäß den WSchuZR mit Stacheldraht als Untergrabschutz die Verkehrssicherheit nicht gewährleisten können, da Wildtiere davon nicht genügend aufgehalten werden. Dies wird durch regelmäßig auftretende Wildunfälle unterstrichen, die sich innerhalb von gezäunten Straßenabschnitten ereignen. In einem zweiten Schritt wurden Ideen für einen modularen Wildschutzzaun aufgezeigt, der einen flächigen Einsatz in Deutschland ermöglicht. Das System sollte aus Maschendrahtgeflecht bestehen und kann z. B. bei nachträglicher Zuwanderung streng geschützter Arten wie der Wildkatze modular mit einem Überkletterschutz erweitert werden. Ein standardmäßig integrierter Untergrabschutz verhindert das Unterwühlen bzw. Anheben des Zauns und ermöglicht gleichzeitig eine praktikable Pflege der Vegetation. Wichtige Empfehlungen für die Zukunft sind daher Wildschutzzäune grundsätzlich mit funktionalem Untergrabschutz auszustatten und die Zäune von den Grundstücksgrenzen abzurücken. Damit wird zum einen gewährleistet, dass dem Unterhaltungsdienst für die Vegetationskontrolle entsprechend Platz zur Verfügung steht, um eine Pflege durchzuführen, zum anderen eine maschinelle Pflege vom Fahrzeug aus ermöglicht wird. Darüber hinaus wird die Erfassung und Dokumentation von Wildschutzzäunen im Bundesgebiet empfohlen.
Aktualisiert: 2023-05-18
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Die Zunahme der Straßennetzdichte, des Verkehrsaufkommens und der Motorisierung einerseits sowie die regional z. T. wachsende Wilddichte und die zunehmende Zerschneidung von Wildwechseln andererseits erhöhen das Risiko von Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Tieren. Fahrzeuginsassen können entweder durch den direkten Aufprall mit dem Wildkörper oder durch Ausweichmanöver verletzt oder gar getötet werden und es entstehen oft hohe Sachschäden. Auf der anderen Seite gefährdet die Straßenverkehrsinfrastruktur und deren Betrieb Tiervorkommen auf verschiedene Weise, z. B. aufgrund erheblicher Barrierewirkungen oder aufgrund hoher Tierverluste. Das Forschungsprojekt leistet zwei Beiträge zum Themenkomplex Wildunfälle. Zum einen wurde eine Methode zur Identifizierung von Wildunfallhäufungsabschnitten entwickelt und diese bei gegebener Datengrundlage bundesweit angewandt (I.). Zum andern erfolgte eine Übersicht und Bewertung der bundesweit eingesetzten Wildschutzzaunsysteme, um Vorschläge zur Verbesserung abzuleiten (II.). I. Für den Zeitraum von 2012-2017 wurden bundesweit Wildunfalldaten abgefragt. Der Rücklauf ergab mehr als 800.000 Wildunfalldaten, die geografisch verortet und mithilfe von GIS-Programmen analysiert werden konnten. Die meisten Bundesländer sowie das Tierfund-Kataster Deutschland stellten auswertbare Daten zur Verfügung. Im Rahmen der Auswertung konnten dann 30.393 Wildunfallstrecken für den Zeitraum von 2012 bis 2017 ermittelt werden, die das Kriterium von mindestens 6 Unfällen mit einem maximalen Abstand von 200 m zwischen zwei Wildunfallpunkten erfüllen. Diese Wildunfallstrecken bilden 56,6 % aller gemeldeten Wildunfälle ab. Betroffen sind davon aber nur 4 % des Straßennetzes (29.580 km von 738.145 km). Auf 11.912 Streckenabschnitten liegt die Wildunfalldichte oberhalb von 15 Wildunfälle/ km. Wildunfallstrecken mit > 15 Wildunfällen werden als Wildunfallhäufungsabschnitte definiert. Die wichtigsten Wildunfallhäufungsabschnitte können durch das Projekt für einen Großteil der Bundesländer bzw. deren Landkreise nunmehr lagegenau dargestellt werden. Hier sollten Vermeidungsmaßnahmen prioritär durchgeführt werden. Für die Gebietskörperschaften, wie z. B. Landkreise oder Gemeinden, ohne geeignete Datengrundlagen sollte das Meldesystem möglichst schnell verbessert werden. Wildunfallstrecken mit hoher Stetigkeit, d. h. mit signifikanter Ereigniskontinuität, müssen noch ermittelt werden. Weitere Empfehlungen zum Umgang mit Wildunfällen sind: 1. Die Entwicklung eines bundesweit einheitlich anwendbaren und gut auswertbaren Meldeverfahrens, mit dem Wildunfallhäufungsabschnitte verschiedener Intensitätsstufen fortlaufend ermittelt werden können. Für ein solches Meldeund Auswertesystem sind qualitative Mindestanforderungen an die Meldungen abzustimmen und es beinhaltet die Bereitstellung von Auswertungsroutinen zur gewichteten Ermittlung von Wildunfallhäufungsabschnitten. Dazu sollten die Datenschnittstellen der einzelnen Unfallerfassungsprogramme der Bundesländer vereinheitlicht werden und Folgendes bereitstellen: a. Module zum Export einheitlicher Geodaten, b. Zugang zu anonymisierten Unfallhergangsbeschreibungen, um die verursachenden Tierzarten zu ermitteln (alternativ: Nennung der unfallverursachenden Tierarten). 2. Langfristig sollte das Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz (StVUnfStatG) dahingehend geändert werden, dass alle Unfälle an das Statistische Bundesamt übermittelt werden. 3. Die landschaftlichen und straßenraumbezogenen Merkmale (Charakteristika), die die Herausbildung von Wildunfallhäufungen begünstigen, sollten auf Basis der Wildunfallhäufungsabschnitte für eine gezieltere Prävention ermittelt werden. II. Die Anwendung von Wildschutzzäunen in Deutschland erfolgt nach den Wildschutzzaunrichtlinien (WSchuZR), die zuletzt 1985 novelliert wurden. Im Zuge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und veränderter Rahmenbedingungen werden die Regelungen in den WSchuZR jedoch in vielen Belangen nicht mehr den aktuellen Verhält¬nissen gerecht. Dies zeigt sich z. B. an den flächendeckend angestiegenen Wilddichten in Deutschland, die mittlerweile die in den WSchuZR zugrunde gelegten Dichten für einen Handlungsbedarf erheblich übertreffen, sowie in der unzureichenden Pflege von Wildschutzzäunen und im Artenschutz, die in den WSchuZR bisher nicht berücksichtigt werden. Die Befragung von Zuständigen des Unterhaltungsdienstes für Bundesfernstraßen in zehn Regionen führte zum Ergebnis, dass Wildschutzzäune gemäß den WSchuZR mit Stacheldraht als Untergrabschutz die Verkehrssicherheit nicht gewährleisten können, da Wildtiere davon nicht genügend aufgehalten werden. Dies wird durch regelmäßig auftretende Wildunfälle unterstrichen, die sich innerhalb von gezäunten Straßenabschnitten ereignen. In einem zweiten Schritt wurden Ideen für einen modularen Wildschutzzaun aufgezeigt, der einen flächigen Einsatz in Deutschland ermöglicht. Das System sollte aus Maschendrahtgeflecht bestehen und kann z. B. bei nachträglicher Zuwanderung streng geschützter Arten wie der Wildkatze modular mit einem Überkletterschutz erweitert werden. Ein standardmäßig integrierter Untergrabschutz verhindert das Unterwühlen bzw. Anheben des Zauns und ermöglicht gleichzeitig eine praktikable Pflege der Vegetation. Wichtige Empfehlungen für die Zukunft sind daher Wildschutzzäune grundsätzlich mit funktionalem Untergrabschutz auszustatten und die Zäune von den Grundstücksgrenzen abzurücken. Damit wird zum einen gewährleistet, dass dem Unterhaltungsdienst für die Vegetationskontrolle entsprechend Platz zur Verfügung steht, um eine Pflege durchzuführen, zum anderen eine maschinelle Pflege vom Fahrzeug aus ermöglicht wird. Darüber hinaus wird die Erfassung und Dokumentation von Wildschutzzäunen im Bundesgebiet empfohlen.
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