Die Künstlerfamilie Righini-Fries war über mehr als 100 Jahre gleichsam eine übergeordnete Instanz von kreativem Geist und Gewissen
Aktualisiert: 2023-04-15
Autor:
Angelika Affentranger-Kirchrath,
Dieter Bachmann,
Iris Bruderer-Oswald,
Kathrin Frauenfelder,
Martin Germann,
Regine Helbling,
Ursula Pia Jauch,
Julie Kennedy,
Guido Magnaguagno,
Dominic Nahr,
Sascha Renner,
Isolde Schaad,
David Schmidhauser,
Corina Simeon,
Susanna Tschui,
Willi Wottreng
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Die Stadt Bern bildete im 18. Jahrhundert den grössten Stadtstaat nördlich der Alpen. Sie wurde von vielen ausländischen Reisenden als eine der schönsten Städte der Eidgenossenschaft gepriesen und trotz ihrer aristokratischen Regierungsform als vorbildliches Staatswesen dargestellt. Nach dem Untergang des Ancien Régime 1798 und den folgenden gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen wurde Bern 1848 zur Bundesstadt der Schweiz erkoren. Als reformiertes, urbanes Zentrum, an der Schnittstelle von deutschen und französischen Einflüssen gelegen, kannte Bern eine überraschend vielgestaltige Theaterkultur, die für die Zeitspanne des 18. und 19. Jahrhunderts noch nie systematisch untersucht worden ist. Das vorliegende Werk leistet einen Beitrag, um diese Forschungslücke in der Schweizer Theaterhistoriographie zu schliessen.
Kulturelle Ausdrucksformen des Menschen im Allgemeinen und Theaterpraktiken im Besonderen stehen in enger Wechselwirkung mit den sozialen, politischen und geistesgeschichtlichen Gegebenheiten einer Zeit. Erscheinungsformen theatralen Handelns im Kontext der konkreten gesellschaftshistorischen Bedingungen bilden denn auch den Untersuchungsgegenstand dieser quellennahen Studie.
Vier Schwerpunktkapitel behandeln je eine Theaterform, die den Untersuchungszeitraum in besonderem Masse prägten: Reisende Theatergesellschaften, Liebhabertheater, Schauereignisse des Äusseren Stands sowie historische Festzüge und Festspiele.
In der Schweiz, die keine Königshöfe oder Fürstenresidenzen kannte, gehörten die reisenden Theatergesellschaften zu den wichtigsten Akteuren im Berufstheaterwesen. Der komplizierte obrigkeitliche Verwaltungsapparat, dem sich die fremden Theatertruppen stellen mussten, das Zusammenleben in der städtischen Gemeinschaft und die bunte Palette des theatralen Unterhaltungsangebots werden in einem ersten Teil anhand exemplarischer Beispiele vorgestellt.
Während das professionelle Theaterschaffen im Berichtszeitraum weitgehend von ausländischen Kräften getragen wurde, pflegte die einheimische Bevölkerung mehrheitlich die dilettierende Kunstausübung. Im Unterschied zum gewerbsmässig betriebenen Theater genoss das Liebhabertheater ein weit höheres Sozialprestige. Die vielfältigen Ausformungen der bernischen Laientheaterkultur sind Gegenstand des zweiten Kapitels, wobei der Bogen gespannt wird von der Salongeselligkeit des 18. Jahrhunderts bis zum Vereinstheaterwesen des 19. Jahrhunderts.
Eine interessante Facette des sozialen Rollenspiels wird in den Aktionen des Äusseren Standes nachgewiesen, einer Vereinigung junger Patriziersöhne, die sich mit fiktiven Regierungssitzungen, Gerichtsverhandlungen und farbenprächtigen Umzügen, auf ihre künftige Magistratsrolle vorbereiteten. Die Institution des Äusseren Stands und die von ihr organisierten Schauereignisse stehen ziemlich exzeptionell in der schweizerischen, ja sogar in der europäischen Theaterlandschaft da.
Für das Nationalbewusstsein und das Selbstverständnis des 1848 gegründeten Schweizer Bundesstaats waren die historischen Festzüge und Festspiele von besonderer Bedeutung. Die Stadt Bern setzte mit ihrer monumental aufgezogenen Gründungsfeier im Jahre 1891 Massstäbe. Die Wirkungsästhetik der Festspielinszenierung beruhte im Wesentlichen auf einer präzisen Choreographie der Masse und der eigens zu diesem Anlass komponierten Musik. Die Rezeptionsbelege zeugen durchweg von einer gefühlsmässigen Überwältigung des Publikums. Die nicht nur für Bern typische Festspieleuphorie des ausgehenden 19. Jahrhunderts war eine Antwort auf die von vielen Zeitgenossen als brüchig empfundene Lebenswirklichkeit.
Die Autorin liefert mit ihrer Studie zum Theater in Bern eine facettenreiche Darstellung der einzelnen Theaterformen, benennt Akteure, Zuschauer und Interessenvertreter, beschreibt die Spielstätten und die Aufführungspraxis, situiert die szenischen Vorgänge im historischen Kontext und fragt nach den Funktionen, die sie erfüllten. Auf diese Weise entfaltet sich ein einzigartiges kulturgeschichtliches Panorama einer reformierten Stadt der Eidgenossenschaft im Übergang vom 18. ins 19. Jahrhundert.
Es gelingt der Autorin, ein anschauliches Bild der vielfältigen Theaterlandschaft der Stadt Bern von 1700-1900 zu zeichnen und vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Bedingungen die Kontinuitäten, Brüche und Besonderheiten im bernischen Theatralitätsgefüge sichtbar zu machen.
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojekts 'Berner Theatergeschichte' des Instituts für Theaterwissenschaft Bern und der Schweizerischen Theatersammlung. Die Historikerin und Theaterwissenschaftlerin Susanna Tschui promovierte mit dieser Arbeit an der Universität Bern. Sie ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Archiv- und Museumswesen tätig.
Aktualisiert: 2023-02-13
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