Abbildung von Leasingverhältnissen in der internationalen Rechnungslegung
Eine Analyse propagierter Neuregelungen auf konzeptionelle Begründbarkeit
Ronny Gebhardt
Die Abbildung von Leasingverhältnissen in vielen Rechnungslegungssystemen steht seit jeher im Zentrum der Kritik. Selbst nach einer tiefgreifenden Neuausrichtung der Leasingbilanzierung Anfang der 70er Jahren in den USA, die nachfolgend weitgehend unverändert in andere Systeme übernommen wurde, wählten die Teilnehmer der AAA/FASB Financial Reporting Issue Conference 1996 den noch heute gültigen Rechnungslegungsstandard zum „worst accounting standard“ (Reither, Accounting Horizons, Vol. 12 (3), 1998). Diese vor dem Hintergrund der enormen Bedeutung von Leasingverhältnissen kaum zu unterschätzende Kritik nahm eine Gruppe von Normengebern – die sog. G4+1 – zum Anlass, einen Reformvorschlag auszuarbeiten, der im Kern die Aufgabe der Trennung in bilanzwirksam und bilanzunwirksam zu behandelnde Leasingverhältnisse vorsieht. Der Rückgriff auf das Konstrukt des wirtschaftlichen Eigentums am Leasinggegenstand zur Kategorisierung von Leasingverhältnissen soll entfallen. Der Autor analysiert, inwieweit dieser Vorschlag, welcher Grundlage der aktuellen Reformdiskussion innerhalb des IASB ist, aus der Konzeption der internationalen Rechnungslegung heraus begründbar. Nach einer ausführlichen Erläuterung der Bilanzierungsregeln de lege lata und de lege ferenda wird das Framework des IASB in seiner Funktion als Deduktionsbasis für die konkrete Normengestaltung dargestellt und umfassend hinsichtlich seiner Operationalisierbarkeit, inneren Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit analysiert. Unter Rückgriff auf informationsökonomische Ansätze werden dabei nicht nur die Vielzahl von Problembereichen des Framework verdeutlicht, sondern gleichzeitig die inhärente Beschränktheit der Ansprüche des internationalen Normengebers offenbart. Im Anschluss wird dezidiert der Frage nach der Bilanzierbarkeit von Ansprüchen und Verpflichtungen aus Leasingverhältnissen nachgegangen, wobei der in der Rechnungslegungsliteratur oftmals vernachlässigten theoretischen Auseinandersetzung mit den unscharf formulierten Ansatz- und Definitionskriterien für Vermögenswerte und Schulden Raum geschenkt wird. Darüber hinaus wird sich dem Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte in der internationalen Rechnungslegung und seiner Bedeutung für die interessierende Fragestellung gewidmet. Die Studie ist einer Rechnungslegungsforschung zuzuordnen, die sich als konstruktiver und zugleich kritischer Begleiter des Prozesses der Rechnungslegungsregulierung versteht. Sie richtet sich nicht nur an Studierende und Dozenten der Wirtschaftswissenschaften, die ihr theoretisches Verständnis kapitalmarktorientierter Rechnungslegungssysteme und deren Regulierung erweitern wollen, sondern auch an Praktiker, welche die Auswirkungen sich abzeichnender Neuregelungen antizipieren wollen.