Abgeschobene Roma im Kosovo
Journalistische, juristische und medizinische Recherchen
Jean Philipp Baeck, Kosovo Recherchegruppe, Allegra Schneider
Januar 2016. Dies ist die zweite, erweiterte Auflage eines
Berichts über abgeschobene Roma im Kosovo. Dorthin
reisten wir im Februar 2014 und im März 2015.
Seit dem Rückübernahmeabkommen mit dem kosovarischen
Staat von 2010 werden aus der Bundesrepublik
Deutschland kontinuierlich Roma dorthin abgeschoben.
Eine politische Entscheidung, die mit den realen Verhältnissen
vor Ort nichts zu tun hat. Dies haben wir auch in
anderen exjugoslawischen Staaten erfahren können: Im
Sommer 2013 treffen wir in Serbien auf bittere Armut,
auf Menschen, die Kleidung und Papier in Müllcontainern
suchen, um diese wieder zu verkaufen. Sie sammeln
weggeworfenes Essen, ganze Familien leben davon.
Auch bei Recherchen in Mazedonien Anfang 2015 sahen
wir, dass Roma diskriminiert werden. Mittlerweile wurden
sowohl Serbien, Mazedonien, Bosnien Herzegowina
als auch Kosovo, Montenegro und Albanien von der Bundesrepublik
zum »sicheren Herkunftsstaat« erklärt.
Im Kosovo treffen wir Menschen, die überhaupt nichts
haben. Die hungern und nur zögernd davon erzählen,
weil sie sich dafür schämen oder es für selbstverständlich
halten. Deren Leben hier zu Ende gegangen zu sein
scheint, deren Pläne und Träume jäh zerschlagen wurden
– weil sie aus Deutschland abgeschoben worden sind.
Viele können an nichts mehr anknüpfen, weil der Krieg
1998/1999 sie nicht nur vertrieben, sondern vieles zerstört
und alles verändert hat. Von den Milliarden, die nach
dem Krieg in dieses winzige Stück Staat geflossen sind,
haben die Menschen, auf die wir treffen, nicht profitiert.
Die Zuordnung zu einer Gruppe oder Minderheit trennt
bis heute. In der geteilten Stadt Mitrovica kommt es
zwischen
SerbInnen und AlbanerInnen immer wieder
zu Auseinandersetzungen. Roma sind im ganzen Land
Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt.