Äquivalenzskalen.
Theoretische Erörterung, empirische Ermittlung und verteilungsbezogene Anwendung für die Bundesrepublik Deutschland.
Jürgen Faik
Äquivalenzskalen spielen sowohl in sozialpolitischen Programmen als auch im Rahmen personeller Wohlfahrtsanalysen eine herausragende Rolle. In ihnen spiegeln sich einerseits die Ersparnisse einer gemeinsamen Haushaltsführung sowie andererseits bedarfsbezogene Divergenzen zwischen den Mitgliedern eines Haushalts wider. Sie ermöglichen daher die notwendige Normierung der realiter vorfindbaren, unterschiedlichen Haushaltsstrukturen.
Bundesdeutsche Verteilungsanalysen waren bis dato überwiegend auf die Nutzung institutioneller Äquivalenzskalen angewiesen. Die Verwendung derartiger Skalen ist allerdings nicht unproblematisch. Insbesondere ist ihre ungenügende empirisch-statistische Fundierung zu bemängeln.
Aus dem Hauptkritikpunkt an den institutionellen Bedarfsfestlegungen, ein zu hohes Maß an Willkür zu beinhalten, leitet sich die Forderung nach alternativen, intersubjektiv einfacher überprüfbaren Skalen ab. Eine solche Alternative stellen ökonometrisch fundierte Äquivalenzskalenmethoden dar, bei denen die individuellen Präferenzen entweder direkt erfragt oder indirekt aus dem jeweiligen Ausgabenverhalten erkundet werden.
Die zweitgenannte ökonometrische Verfahrensweise steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Nach einer eingehenden theoretischen Erörterung der verschiedenen ausgabenorientierten Aquivalenzskalentechniken hat der Verfasser aus einem umfangreichen bundesdeutschen Datenbestand (den Einkommens- und Verbrauchsstichproben von 1969 bis 1983) auf mikroökonomischer Grundlage eine Vielzahl entsprechender Äquivalenzskalen empirisch abgeleitet.
Unter Zugrundelegung mehrerer soziodemographischer Merkmale (wie z. B. Haushaltsgröße und Alter der Haushaltsmitglieder) zeigt sich hierbei sensitivitätsanalytisch, daß die querschnittsbezogenen Skalenunterschiede im Vergleich zu den zeitbezogenen Divergenzen einschneidender sind. Gleichzeitig unterstreichen allerdings gewisse Extremwerte durchaus die Sinnhaftigkeit zeitlich-varianter Skalenanalysen. Die betreffenden Skalenerkenntnisse werden durch den Vergleich mit anderen, in der Literatur zu findenden Aquivalenzskalen abgerundet.
In Anbetracht der ermittelten Skalenheterogenität schätzt der Verfasser in einem nächsten Schritt sensitivitätsanalytisch den Einfluß alternativer Aquivalenzskalen auf Einkommensungleichheit und -armut sowie damit einhergehend die Robustheit verschiedener Verteilungsaussagen ab. In diesem Kontext eruiert er auch den Ungleichheits- bzw. Armutsverlauf für die Bundesrepublik Deutschland über den Zeitraum von 1969 bis 1983 hinweg.
Generell läßt sich festhalten, daß in der vorliegenden Untersuchung erstmalig für die Bundesrepublik Deutschland ökonometrisch fundierte Aquivalenzskalen im Zeitablauf errechnet sowie anschließend sozialpolitisch/verteilungsbezogen verwendet werden. Die letztgenannte Vorgehensweise bietet den Vorzug einer Beurteilung, inwieweit sich über einen vorab spezifizierten Zeitraum hinweg bedarfsbezogene Divergenzen ergeben haben.