Agrarinteressen als Verhandlungsmasse
Die Handelspolitik der Europäischen Union zwischen nationalen Präferenzen und internationalen Zwängen
Dieter Konold
Die Handelspolitik der EU ist – oder scheint – widersprüchlich. Einerseits setzt sich die Gemeinschaft für eine liberale Weltwirtschaftsordnung ein, andererseits schützt sie ihren Agrarsektor. Gemeinhin wird der Sonderstatus der Landwirtschaft auf die Stärke der „Bauernlobby“ zurückgeführt. Eine eingehende Untersuchung der agrarpolitischen Entwicklungen auf europäischer Ebene sowie in Frankreich und Deutschland zeigt jedoch, dass die Bauernverbände nicht (mehr) über die Einflussressourcen verfügen, um das Politikfeld zu bestimmen. Dieser Einflussverlust ging nicht mit einer entsprechenden Liberalisierung des Agrarsektors einher, weil der Fortbestand etablierter Strukturen nicht nur landwirtschaftlichen Interessen dient. Institutionelle Faktoren, budgetäre Erwägungen und gesellschaftliche Forderungen wirken Status quo-fördernd. In internationalen Handelsgesprächen bietet diese Konstellation den europäischen Unterhändlern die Möglichkeit, Agrarinteressen verhandlungstaktisch einzusetzen.