Anorganische Strukturchemie
Ulrich Mueller
Angesichts des immer mehr anwachsenden Kenntnisstands auf allen na turwissenschaftlichen Gebieten erscheint es unumgänglich, die Wissensver mittlung auf generelle Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten zu konzentrieren und Einzeldaten auf wichtige Beispiele zu beschränken. Ein Lehrbuch soll einen angemessenen, dem Studierenden zumutbaren Umfang haben, ohne wesentliche Aspekte eines Fachgebiets zu vernachlässigen, es soll traditio nelles Grundwissen ebenso wie moderne Entwicklungen berücksichtigen. Diese Einführung macht den Versuch, die Anorganische Strukturchemie in diesem Sinne darzubieten. Dabei sind Kompromisse unvermeidbar, manche Teilgebiete werden kürzer, andere vielleicht auch länger geraten sein, als es dem einen oder anderen Fachkollegen angemessen erscheinen mag. Chemiker denken überwiegend in anschaulichen Modellen, sie wollen Strukturen und Bindungen „sehen“. Die moderne Bindungstheorie hat sich ihren Platz in der Chemie erobert, sie wird in Kapitel 9 gewürdigt; mit ihren aufwendigen Rechnungen entspricht sie aber mehr der Denkweise des Physikers, außerdem ist sie oft noch unbefriedigend, wenn es darum geht, strukturelle Details zu verstehen oder gar vorauszusagen. Für den Alltags gebrauch des Chemikers sind einfache Modelle, so wie sie in den Kapiteln 7, 8 und 12 behandelt werden, nützlicher: „Der Bauer, der zu Lebzeiten ernten will, kann nicht auf die ab-initio-Theorie des Wetters warten. Che miker, wie Bauern, glauben an Regeln, verstehen aber diese listig nach Bedarf zu deuten“ (H.G. von Schnering [86]).