ARCH+ 184 – Architektur im Klimawandel
Sabine Kraft
Wie ist das eigentlich passiert? Eines Morgens wachen wir auf und die Welt ist eine andere geworden. Nicht, dass sich gegenüber gestern viel verändert hätte – außer in unseren Köpfen. Unsere Konstruktion von Welt ist dabei, eine andere zu werden. Die endlosen Arabesken eines nicht enden wollenden Jahrhunderts, die theoretischen Kapriolen im realitätsentleerten Raum, die ästhetischen Ausschweifungen überall und nirgendwo hin versinken in der Bedeutungslosigkeit eines überzogenen Fin de siècle.
Wir wissen seit langem um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, um Bevölkerungsexplosion und die wachsende Instabilität einer Welt, in der der Wohlstand asymmetrisch verteilt ist, um Rohstoffverknappung und Verteilungskämpfe, und um die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Vor den unkalkulierbaren klimatischen Konsequenzen des Treibhauseffekts wurde seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gewarnt, seit den Kyoto-Verhandlungen sind zehn Jahre vergangen, in denen weltweit die CO2-Emissionen weiter angestiegen sind. Erst jetzt scheint diese Information wirklich angekommen zu sein, d.h. in ihrer Bedeutung und Tragweite erfasst. Insbesondere zwei Veröffentlichungen haben daran wesentlichen Anteil: Al Gores “Unbequeme Wahrheit” – Buch und Film konnten eine beispiellose Verbreitung verzeichnen – führt sowohl die absehbaren Folgen des Klimawandels plastisch vor Augen, wie auch die nicht abschätzbaren Risiken für die Stabilität des Ökosystems Erde, während der Report des ehemaligen Weltbankers Sir Nicolas Stern “The Economics of Climate Change” mit der Quantifizierung der sogenannten Folgekosten des Klimawandels den Druck vor allem auf Wirtschaft und Politik verstärkt hat. In diesem Umfeld besitzen monetäre Größen offensichtlich mehr Überzeugungskraft als Umweltkatastrophen, und das Menetekel einer Weltwirtschaftskrise ist ökonomisch sehr überzeugend. Beide Autoren argumentieren, dass wir unter Handlungszwang stehen, wenn das Zeitfenster in die Zukunft sich nicht weiter schließen soll. Die vierzig fetten Jahre der Verdrängung sind also definitiv vorbei. Jetzt, so die eindringliche Mahnung,
ist es an der Zeit, Taten sprechen zu lassen