Architektur und Politik: Ernst Egli und die türkische Moderne 1927–1940
Oya Atalay Franck
Anders als in Westeuropa und in Nordamerika, wo die Moderne das Ergebnis eines sich über viele Jahrhunderte erstreckenden gesellschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Evolutionsprozesses war, kam ihr in der Türkei der Charakter eines nationalen Projekts zu. Dieses Projekt war in sich widersprüchlich, denn die junge Republik verfolgte zwei schwer zu vereinbarende Ziele: die Türkei dem Westen anzugleichen und sie zugleich von ihm zu differenzieren. In der vorliegenden Untersuchung werden verschiedene Aspekte dieses Vorhabens am Beispiel eines einzelnen Akteurs jener Zeit analysiert – des schweizerisch-österreichischen Architekten Ernst Arnold Egli. Viele seiner Bauten für Ankara standen in ihrer Entstehungszeit im urbanen Niemandsland. Es ist gerade dieses pionierhafte Vorgehen – das in den Fotografien der Epoche spürbare Markieren der neuen Hauptstadt in der anatolischen Wüste –, das einen wesentlichen Teil der Faszination dieser Architektur ausmacht. Neben dem zeitgenössischen Abbildungsmaterial stützt sich die Untersuchung auf den Nachlass Ernst Eglis im wissenschaftshistorischen Archiv der ETH Zürich sowie Material aus zahlreichen weiteren Archiven und Bibliotheken in Zürich, Wien, Ankara und Istanbul. Ernst Egli, 1893 als Sohn einer Tschechin und eines Schweizers in Wien geboren, wurde 1927 in die Türkei berufen. Hier leitete er die Architekturschule der Kunstakademie Istanbul und war als Chefarchitekt des Unterrichtsministeriums in Ankara tätig. 1940 verliess er die Türkei. Nach weiteren Stationen lebte er bis zu seinem Tod 1974 in der Schweiz, u. a. als Dozent für Städtebaugeschichte an der ETH Zürich. Wichtigste Bauten in Ankara: Musikakademie, Handelsschule, Ismet-Pasa-Mädcheninstitut, für den Luftflottenverein.