Armer Nietzsche
Annäherung an einen Philosophen- Ein Kaleidoskop
Julius Frey
Als Verkünder eines extremen Individualismus mit seiner Bereitschaft zu existentiellem Wahrheitsrisiko und unerbittlicher Selbstentblössung gehört Nietzsche zu den Vätern der Weltanschauung um 1900. Hier sah die leidenschaftlich hingerissene Jugend ein ganz neues Bild des Heroischen und Tragischen, blickte in die Abgründe der Seele mit ihrer Differenziertheit und Sensibilität. Den heutigen Menschen interessiert an Nietzsche, Schöpfer neuer Gedankeninhalte mit einer unbegrenzten Weite des Denkens, mit welcher Erfindungskraft er Ismen und Dogmen zu zerbrechen vermochte, wie man bei ihm Freiheit des Geistes, Leidenschaft der Erkenntnis und Redlichkeit lernen kann. An Nietzsche – «Erdbeben der Epoche» – orientiert sich die moderne Geistigkeit in Nachfolge und Widerspruch. Es war für viele ein grosses Glück, Nietzsche zu begegnen. Es wäre falsch gewesen, ihm zu folgen. Es war richtig, ihn nie zu verlassen.