Arno Schmidt in Irland
Ein gescheitertes Auswanderungsprojekt im Kontext deutsch-irischer Beziehungen
Friedhelm Rathjen
Nein, Arno Schmidt war nie in Irland, jedenfalls nicht physisch; und doch war er vielfach und auf vielfältige Weise in Irland, nämlich lesend, schreibend, planend und gedankenspielend. Zwei Phasen gab es, in denen Schmidt darüber nachdachte, nach Irland auszuwandern; die erste Phase (1953-55), zu der ihn nicht zuletzt sein Kollege Ernst Kreuder anstachelte, blieb weitgehend auf der Ebene eines Gedankenspiels, doch in der zweiten Phase (1956/57), betrieben im engen Austausch mit dem Kollegen Heinrich Böll, wäre es um ein Haar zu ernsthaften Taten gekommen. Zwischen beiden Phasen schrieb Arno Schmidt seinen Roman „Das steinerne Herz“, in dem Irland nicht von ungefähr einen kleinen Nebenschauplatz aufmacht.
Damit sind die drei wesentlichen Kulminationspunkte des Interesses Arno Schmidts an Irland benannt; ihnen gilt die hauptsächliche Aufmerksamkeit dieses Buches. Um besser zu verstehen, was Schmidt antrieb und worauf er aufbaute, beschäftigt es sich außerdem mit den historischen, zeitgeschichtlichen und auch werkbiographischen Kontexten. Der Autor geht der Frage nach, ob eine Kriegsinternierung in Irland, wie Schmidt sie in seinen Roman einbaut, mit der außerliterarischen Realität in Einklang zu bringen ist; er prüft Arno Schmidts Berührungen mit Irland vor 1953 sowie die Rolle Irlands in seinem Werk ab 1957; in zwei Exkursen wird außerdem das deutsche Irland-Bild vor und nach 1945 skizziert, von dem Arno Schmidts Blick auf die ihm nicht aus eigener Kenntnis vertraute Insel am Nordwestrand Europas nicht unbeeinflußt bleiben konnte.