Manfred Pauker – Artists
Künstlerportraits
Nino Ghelli, Michael Ostrowski, Manfred Pauker, Michaela Riedl-Schlosser
Manfred Pauker fotografiert analog, mit einer, manchmal zwei Kameras, er braucht immer eine gewisse Zeit, bis er alles eingestellt hat, man hat also ein paar Sekunden, um sich einzurichten und klar im Ausdruck zu werden, dann ist es so weit: Er schießt nicht 20 Fotos einer Situation, sondern 3 oder 4, das ergibt eine andere Konzentration, das setzt andere Mechanismen in Gang. Manfred hat eine klare Vorstellung, was er sehen möchte, und ist trotzdem sofort für jeden Blödsinn zu haben, der sich auftut, wie zum Beispiel ein Loch in den Schienen am stillgelegten Bahnhof in Vordernberg. Dort setzt man sich dann rein, mit einer falschen Taube am Hut, und schon kommt das Vogerl aus der alten Leica und eine diebische Freude huscht über sein Gesicht über das Foto, das es so sicher noch nie gegeben hat.
Es sind sein naiver Zugang und sein Spaß am Fotografieren, die es so lustig machen, mit ihm zu arbeiten. Meistens läuft das so: Er klärt die Location, borgt sich Kostüme in irgendeinem Fundus aus, fährt damit zu seinen Kollaborateuren und beginnt das Bild zu inszenieren, wobei zufällig gefundene Requisiten oder die Gegebenheiten vor Ort das Geschehen beeinflussen. Kein Plastikgoldfisch ist dabei zu billig und keine alte Badehaube zu blöd. Das ist relativ rar geworden heutzutage, wo die gediegene Ausstattung und das kühle Setting den Erfolg versprechen. Bei Manfred Pauker ist es eher trash as trash can, arme Kunst mit dreckigen Mauern und bunten Kostümen davor. Es ist eine Inszenierung, die nicht sofort an ihre Verwertbarkeit denk, sondern dem Einsatz und dem Instinkt des Fotografen und des Fotografierten entspringt. Jeder kann sich selbst so inszenieren, wie er es gut findet. Meistens bringt er zwar eine Idee mit, aber es ist immer schön zu sehen, wie sich die Vorstellungen der Fotografierten und die des Fotografen auf elegante Art und Weise annähern, bis etwas Neues dabei rauskommt.
Wir lernten uns kennen, als er einen Band über SchauspielerInnen fotografierte. Ich hab ihm ein Fotobuch von David La Chapelle geliehen, er mir seine alten LPs aus den 60ern und 70ern. Ich glaube, der Austausch hat uns beide inspiriert. Und so ist auch „Artists“ eine wilde Mischung geworden: Bilder, die nichts von political correctness und den regulierten Freuden des ausgehenden 20. Jahrhunderts kennen, so als würde die ungezügelte Bildfreude der 60er auf den Dickschädel-Rock’n’Roll der Obersteiermark treffen, Leoben statt LA, Stefan Weber statt Mick Jagger, und das ist auch gut so.
Einmal, direkt nach meiner Probe auf der Bühne des Schauspielhauses Graz bekamen wir die Erlaubnis, in den Kulissen zu fotografieren. Wir hatten ca. 10 Minuten Zeit, bis die Bühnenarbeiter kamen und alles umbauten. Für Manfred kein Hindernis, er knipste bis zum letzten Moment, hinter uns begannen die Arbeiter schon alles wegzurollen, aber er ließ sich nicht beirren, bis man mich mit den Bühnenteilen rausgeschoben hat.
Ich will natürlich nicht viel zu den Fotos im Buch sagen, weil man sie anschauen kann, und das sollte eigentlich reichen, nur ein paar Details, die mir einfallen: die blaue Gerti Drassl, das Stubenmädchen Franzi Weisz, die Nonne Strauss, der Ostblockcharme von Karl Fischer und Susi Stach, der Goldfisch im Glas der Hilde Dalik, Gangster-Georg Friedrich im Pelz, Michou Friesz mit Fleisch, Rap-Papst-Ofczarek und immer wieder Maria Hofstätter: Freu dich, Gott liebt dich!
Kurz bevor das Theater im Bahnhof weggezogen ist vom Lendplatz 36 in Graz, haben wir dort fotografiert. Alles, was herumgestanden ist, alte Bilder, ein Sofa, Requisiten von Stücken, Schallplatten, Hüte und Lichterketten haben wir ins Bild geschoben, um die letzten Fotos eines Ortes zu machen, der einmal viel bedeutet hat und der wenig später dem Erdboden gleichgemacht wurde. Dort hab ich dann einen ausgestopften Fuchs gefunden im Fundus und ihn auf mich gelegt und mir eine kleine Fahne in den Hintern gesteckt. Der Fuchs ist eines meiner Lieblingstiere und hat ein schlaues Schnäuzchen, und eine Fahne sollte man sich immer wieder einmal in den Arsch schieben. Aber wo geht das heute noch?
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