Ästhetische Bildung und Bewegung
Bewegungstheater als methodisches Mittel im fächerübergreifenden Unterricht
Andrea Probst
Die Studie gliedert sich in drei Teile: Einem bildungstheoretischen Teil, einem didaktischen und einem empirischen. Der Schwerpunkt liegt auf dem bildungstheoretischen Teil, in dem es um die Integration ästhetischer Bildungsprozesse in einen Gesamtkontext von Bildung geht. Ausgehend von einem humanistischen Bildungsverständnis gehört ästhetische Bildung unabdingbar zu einem umfassenden Bildungsbegriff dazu. Und zwar eine ästhetische Bildung, die auf einem Ästhetikverständnis beruht, das in Anlehnung an Baumgarten (1750) die subjektiv- sinnliche Erkenntnis- und Ausdrucksfähigkeit in den Mittelpunkt stellt. Deshalb wird auf der Basis symboltheoretischer Theorien von Cassirer und Langer wird nachgewiesen, dass sich Bildungs- und damit Weltaneignungsprozesse nicht nur wissenschaftlich-analytisch vollziehen, sondern als ein stetes Wechselspiel mit ästhetischen Prozessen. Ohne ästhetische Bildung gibt es keine Phantasie und keine Imagination, woraus die Gefahr der Fremdbestimmung des Individuums durch vorgefertigte Bilder resultiert. Als Konsequenz für Schule, die einem aktuellen und vollständigen Bildungsbegriff folgt, müssten in den Unterricht konsequent leiblich-ästhetische Aneignungsprozesse des vorgegebenen Stoffes integriert werden. Aus Sicht der Autorin eine unabdingbare Konsequenz, wenn Schule als Institution Kinder auf die Anforderungen des Lebens vorbereiten will und dabei auf gesellschaftliche Entwicklungen wie Pluralisierung und Anästhetisierung, wie sie von Welsch (1998) eindringlich beschrieben wird, reagiert. Leider verschwindet dieser Anspruch im Schullalltag heutzutage immer mehr hinter einem material orientierten Bildungsverständnis. Kinder müssen immer mehr Stoff in immer kürzerer Zeit lernen und reproduzieren – es bleibt keine Zeit für individuelle ästhetische Auseinandersetzungsprozesse. Zukünftige Erwachsene brauchen unbedingt die Fähigkeit zur reflektierten, subjektbezogenen Auseinandersetzung mit der Vielfalt an Angeboten. Sie müssen befähigt werden, ihr Leben selber aktiv zu gestalten und vorhandene Strukturen gegebenenfalls mit- oder umzugestalten. Ästhetische Bildung im beschriebenen Sinne fördert diese Kompetenzen durch die individuelle Herausbildung ästhetischer Verhaltenskompetenzen. Im zweiten Teil wird durch eine intensive anthropologisch-phänomenologische Auseinandersetzung mit Leib und Bewegung die Verbindung zwischen ästhetischen Bildungsprozessen und Bewegung hergestellt. Der Leib ist zum einen Sitz der Sinne und zum anderen ein wesentliches Ausdrucksmittel des Menschen. Durch diese Verbindung wird Bewegung zu einer methodischen Möglichkeit in der Schule fächerübergreifend oder fachbezogen leiblich-ästhetische Auseinandersetzungsprozesse mit dem Lernstoff zu initiieren. Im dritten Teil wird ein entsprechendes methodisches Mittel das Bewegungstheater vorgestellt. Es wurde im Rahmen eines Schulentwicklungsprozess einer Grundschule zu einer Bewegten Schulkultur als ein Teilprojekt im Deutschunterricht implementiert und evaluiert.