Auf der Suche nach den Grenzen der Wiedergutmachung
Die Rechtsprechung zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung
Arnold Lehmann-Richter
Die Wiedergutmachung für Opfer des NS-Regimes war nach dem Zweiten Weltkrieg politisch und juristisch ein vielschichtiges Thema. Das Bundesentschädigungsgesetz von 1953 gab den im Amtshaftungsrecht wurzelnden Schadensersatzansprüchen der Verfolgten eine neue rechtliche Form. Allerdings blieb das Gesetz die Antwort auf viele wichtige Fragen schuldig: War etwa die Verurteilung eines Zeugen Jehovas wegen Kriegsdienstverweigerung eine Verfolgungsmaßnahme? Und wie stand es um die Tat eines Offiziers der Wehrmacht, der in Athen auf offener Straße grundlos einen Juden erschossen hatte? War ein Jude anspruchsberechtigt, der vor der anrückenden Wehrmacht aus Polen geflüchtet und in der sowjetischen Internierung Schäden erlitten hatte? Die Beantwortung dieser und anderer Fragen blieb den Gerichten überlassen, deren Entscheidungspraxis Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die Richter Entscheidungsspielräume meist zu Lasten der Verfolgten ausgelegt haben. Dies beruhte vereinzelt auf Ressentiments gegen die Opfer, überwiegend aber auf dem rechtspolitischen Bestreben, den finanziellen Umfang der Entschädigung in Grenzen zu halten.