Augenlust und Augenlaster
Zum Wissen der Bilder in der venezianischen Malerei 1450-1520
Marianne Seidig
Der Band nimmt ausgesuchte Bilder aus dem Umfeld Bellinis in den Blick. Untersucht wird, auf welche Weise venezianische Darstellungen abstrakte religiöse Gehalte sinnlich greifbar zu machen suchten. Dabei wird deutlich, dass Maler wie Lorenzo Lotto, Cima da Conegliano oder Marco Basaiti – entgegen den Annahmen der stilgeschichtlichen Forschung – nicht als mehr oder minder begabte Nachahmer ihres Meisters („Belliniani“) begriffen werden können. Sie besaßen vielmehr ein Potential, das die Fähigkeit zur abbildhaften Nachahmung eines Stiles überstieg. Statt von hierarchischen Abhängigkeiten, die alle auf Bellini zulaufen, ist daher eher von einem Spektrum verschiedener, nicht selten gleichberechtigter Positionen auszugehen – einem Spektrum, das sich mit dem geläufigen Terminus „Bellini und die Belliniani“ nicht angemessen umschrieben findet.