Augiensia
Ein neuaufgefundenes Konvolut von Urkundenabschriften aus dem Handarchiv der Reichenauer Fälscher des 12. Jahrhunderts
Rudolf Pokorny
Im Zuge der Rekonstruktion der Privatbibliothek des Augsburger Stadtschreibers Konrad Peutinger (1465–1547) ist ein Codex des frühen 16. Jh. mit bislang völlig unbeachteten Urkundenabschriften aus dem Archiv der Bodensee-Abtei Reichenau zutage getreten, in dem 16 Kaiser- bzw. Königsurkunden, 9 Papsturkunden bzw. -briefe und 5 Reichenauer Abtsurkunden bzw. -briefe enthalten sind, darunter 8 völlig unbekannte Stücke und 12 weitere, die man bislang zur Gänze nicht ihrem lateinischen Originaltext, sondern lediglich ins Oberschwäbische des späten 15. Jh. übersetzt kannte. Echt und unverfälscht ist davon nur das wenigste, denn gerade die inhaltlich bedeutenderen unter den ehemals vorhanden echten Urkunden haben mehrere aufeinander-folgende profilierte Reichenauer Fälscher des 10.–12. Jh. als Rohmaterial für ihre Falsifikate benutzt und ‚umgeschrieben’. Insofern haben die gänzlich neu hinzugetretenen bzw. erstmals nun im lateinischen Originalwortlaut faßbaren Stücke – 23 von ihnen sind in diesem Band ediert und in ihren Querbezügen und Textabhängigkeiten analysiert – die Möglichkeit geboten, den gesamten Reichenauer Fälschungskomplex nochmals intensiver zu durchdringen und damit zugleich auch mancherlei bis heute nachwirkende Mißverständnisse über die stufenweise ausgebaute Stellung der Abtei Reichenau innerhalb der Reichs- und Kirchenverfassung zurechtzurücken.