Auseinandersetzung mit der Tradition – Die Rezeption des Werkes von Albrecht Dürer nach 1945
Am Beispiel von Joseph Beuys, Sigmar Polke, Anselm Kiefer und Samuel Bak
Karoline Feulner
Was veranlasst zeitgenössische Künstler wie Joseph Beuys (1921-1986), Sigmar Polke (1941-2010), Anselm Kiefer (geb. 1945) und Samuel Bak (geb. 1933) dazu, gerade den „Ahnherren“ der deutschen Kunst zu zitieren? Dürer und seine Werke erfuhren im 20. Jahrhundert eine sehr grosse Popularität, da sich durch massenhafte Reproduktionen seines Å’uvres die Bildmotive im kulturellen Gedächtnis verankern konnten. Zudem wurde der Nürnberger, wie kein anderer deutscher Künstler, stark national vereinnahmt und zu einer Ikone stilisiert. Diese Entwicklung lässt sich hauptsächlich an den sogenannten Dürerfeiern darlegen. Weisen diese konträren Adaptionen, die sich allein durch ihre Materialwahl – die von Gummibändern, Holzlatten bis zu Blei reicht – radikal unterscheiden, Gemeinsamkeiten auf, oder handelt es sich dabei lediglich um ein peripheres Phänomen der Postmoderne? Durch ihre Zitate von berühmten Werken wie der „Melancholie“, dem „Selbstbildnis im Pelzrock“ oder dem „Hasen“ reflektieren sie in einzigartiger Weise die eigene deutsche Tradition und Geschichte. Die vier ausgewählten Künstler zeigen anhand ihrer Dürerrezeption, dass ein Zitat weit mehr offenbart als eine reine Übersetzung des altdeutschen Motivrepertoires in die Formensprache des 20. Jahrhunderts. Beide Aspekte, sowohl das Image der Dürerreproduktionen als auch der national vereinnahmte Dürer, werden durch ihre Verweise thematisiert und hinterfragt. Dadurch praktizieren sie einen Umgang mit der Tradition, der neue kritische Ausdrucksmöglichkeiten einer Kunst nach 1945 eröffnet. Dieses Buch ist die erste wissenschaftliche Arbeit die sich, ausgehend von der Rezeptionsgeschichte Albrecht Dürers im 19. und 20. Jahrhundert, umfassend mit dem Dürerzitat und dem damit verbundenen Traditionsbezug in der Kunst nach 1945 auseinandersetzt.