Außenwirtschaft der DDR und innerdeutsche Wirtschaftsbeziehungen.
Rechtliche und ökonomische Probleme.
Gernot Gutmann, Gottfried Zieger
Vorwort
Die Arbeit der Gesellschaft für Deutschlandforschung vollzieht sich traditionell auf Jahrestagungen, die prinzipiell umfassenden und interdisziplinären Charakter besitzen sowie auf Veranstaltungen ihrer einzelnen Fachgruppen; in den letzten Jahren sind spezielle Arbeitstagungen hinzugetreten. Seit Gründung der Gesellschaft hat die Fachgruppe »Rechtswissenschaft« regelmäßig Symposien zu ausgewählten Schwerpunktfragen durchgeführt. Die Fachgruppe »Wirtschaftswissenschaft« hat ihre erste Studienkonferenz 1982 zusammen mit der Akademie für Politische Bildung in Tutzing organisiert. Das in diesem Bande vorgelegte Ergebnis des Symposiums über »Außenwirtschaft der DDR und die innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen – Rechtliche und ökonomische Probleme« am 14./15. September 1983 in Berlin bot sich geradezu für eine gemeinsame Veranstaltung der beiden Fachgruppen Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an.
Die erste Arbeitssitzung war Grundsatzfragen gewidmet. Karl C. Thalheim gab eine Einführung in die Bedeutung der Außenwirtschaft als Bestimmungsfaktor von Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsentwicklung in der DDR. Er stellte die Schwierigkeiten heraus, die starke Importabhängigkeit der DDR-Wirtschaft von Rohstoffen und Energieträgern durch eigene Ausfuhranstrengungen im Gleichgewicht zu halten. Bei den Austauschbeziehungen zwischen den zentral geplanten und gelenkten Wirtschaften innerhalb des RGW haben sich Koordinierungsprobleme und im Außenwirtschaftsverkehr mit den marktwirtschaftlich orientierten Staaten Schwierigkeiten prinzipieller Art ergeben. Herausgearbeitet wurde die Notwendigkeit zu einer wachsenden Ausweitung des Außenhandels, die mannigfache interne Umstrukturierungen mit sich gebracht hat, mit einer zunehmenden Versuchung, sich durch Kredite westliche Technologie in den eigenen Wirtschaftsraum hereinzuholen.
Gottfried Zieger unternahm es, das Außenhandelsrecht der DDR mit dem Außenwirtschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland in Vergleich zu setzen und die systematisch bedingten Unterschiede, aber auch die Möglichkeiten einer Kooperation, herauszuarbeiten.
Die zweite Arbeitssitzung war einer Kombination rechtlicher und ökonomischer Überlegungen auf dem Gebiet des Außenhandels der DDR gewidmet. Erika Lieser-Triebnigg analysierte die Einkaufs- und Lieferbedingungen der DDR, die sowohl mit Partnern nichtsozialistischer Staaten als auch mit solchen aus anderen Staatshandelsländern in Gebrauch stehen. Das DDR-Gesetz über internationale Wirtschaftsverträge ist inhaltlich so »wertfrei« gehalten, daß es für den Wirtschaftsaustausch mit beiden Wirtschaftssystemen Einsatz finden kann. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen, in der DDR »Einkaufs- und Verkaufsbedingungen« genannt, enthalten die konkreten Details für den Außenwirtschaftsverkehr. Die Betrachtung galt vor allem dem Vergleich der einzelnen Klauseln mit den westlichen Gepflogenheiten; bei alledem ist stets der von der DDR-Planwirtschaft vorgegebene Rahmen zu beachten. Interessant war die Darstellung der Versuche der DDR-Außenwirtschaftsorgane, die sie betreffenden Verkaufsbedingungen günstiger als die den fremden Verkäufer berührenden Einkaufsbedingungen zu halten.
Siegfried G. Schoppe wandte seine Aufmerksamkeit den systemspezifischen Problemen des DDR-Technologietransfers zu, die sich beispielsweise an den Exporterfolgen für Werkzeugmaschinen verdeutlichen lassen. Ihre führende Stellung innerhalb des RGW korrespondiert mit einer stark eingeschränkten Bedeutung des DDR-Technologietransfers in westliche Länder. Darum werden intensive Anstrengungen unternommen, den Anschluß an die rasche internationale technische Entwicklung, insbesondere im Bereiche der Elektronik, zu unternehmen, freilich wird die Umsetzung in die Produktion durch die schwerfälligen Mechanismen der Zentralverwaltungswirtschaft beträchtlich erschwert. Ein besonderer Punkt der Aufmerksamkeit galt deshalb den systemspezifischen Innovationshemmnissen innerhalb der DDR, erwähnt werden einschlägige Reformüberlegungen.
Auf der dritten Arbeitssitzung behandelte Wolfgang Seiffert Neuentwicklungen der Abstimmung der Außenhandelsbeziehungen im RGW und ihre Auswirkung auf die DDR mit ihren Tendenzen und denkbaren Optionen zur Überwindung der sich ständig ergebenden Reibungsflächen. Eingeblendet wurden Überlegungen innerhalb der UdSSR, über ökonomische Hebel zu einer größeren wirtschaftlichen Effizienz zu gelangen und dabei auch stabilisierende Maßnahmen und abgestimmte Strategien wirksam werden zu lassen. Kritisch angemerkt wurde, daß der RGW sich in seinem Kompetenzgehalt auf Koordination, Konsultation und die Entwicklung gemeinsamer Programme beschränkt und damit in seiner gegenwärtigen Struktur kaum geeignet ist, von sich aus gravierende Änderungen des gegenwärtigen Systems im RGW herbeizuführen.
Jan Peter Waehler befaßte sich mit allgemeinen und speziellen Fragen der Ost-West-Schiedsgerichtsbarkeit und untersuchte Stand und Möglichkeiten neuer Entwicklungen im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Aufmerksam gemacht wurde auf zwei gegenwärtig anzutreffende Grundmuster von Schiedsvereinbarungen: einerseits die ausschließliche Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichtes bei der Handelskammer im Lande des östlichen Partners oder andererseits eine Schiedsgerichtsbarkeit in neutralen Drittstaaten zu vereinbaren. Im innerdeutschen Handel komme es auch zu Absprachen über die Zuständigkeit von Schiedsgerichten im Lande der jeweils beklagten Partei oder des Wirksamwerdens der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Aussagen über die Häufigkeit der Inanspruchnahme dieser einzelnen Modelle seien nur schwer möglich, zumal sich bei den Export- und Importgeschäften zwischen den einzelnen Ländern und innerhalb verschiedener Branchen Unterschiede ergeben.
Auf der vierten und letzten Arbeitssitzung bot Franz Rösch einen Überblick über die Sonderstellung der innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen gegenüber dem Außenwirtschaftsverkehr der DDR mit Drittstaaten. Betont wurde das lebhafte Interesse jeder Bundesregierung an der Beibehaltung dieser wirtschaftlichen Verklammerung, die mit einer großzügigen Kreditregelung (Swing) verknüpft ist. Auch die DDR partizipiert unbedenklich an diesen deutsch-deutschen Sonderbeziehungen, zumal sich auch die umsatzsteuerliche Sonderbehandlung günstig auswirkt. Erwähnung finden kritische Stimmen anderer EWG-Partner bezüglich der Zoll- und Abschöpfungsfreiheit, die in der Vergangenheit zu manchen Diskussionen Anlaß gegeben hat. Neben Überlegungen, die Rechtsgrundlage des Militärregierungsgesetzes 53 durch eine neue gesetzliche Regelung abzulösen, werden Organisation und Charakter des im letzten Jahrzehnt stark angewachsenen innerdeutschen Handels herausgestellt. Wichtig ist dabei die nahtlose Einbeziehung von Berlin.
Dieser Versuch einer fachlich kombinierten Tagung hat zu außerordentlich anregenden Diskussionen Anlaß gegeben und kann darum als gelungen bezeichnet werden. Der starke Einfluß des wirtschaftlichen Elementes in den deutsch-deutschen Beziehungen wird sicherlich Anlaß geben, eine erneute gemeinsame Tagung beider Fachgruppen in kommenden Jahren zu erwägen. Bedauerlich ist es, daß das Zusammentreffen mancherlei Umstände es erst ermöglicht hat, die Veröffentlichung in diesem Jahr herauszubringen. Da die angeschnittenen Themen ihre grundsätzliche Bedeutung auch heute noch besitzen, sollte dies dem Wert der vorgelegten Publikation keinen Abbruch tun. Für das Lesen der Korrekturen haben die Herausgeber Frau Irmgard Fichtner und Herrn stud. rer. pol. Gerd Nesgen herzlich zu danken.