Autonomie der geschriebenen Sprache?
Zur Theorie phonographischer Beschreibungskategorien am Beispiel des Deutschen
Ursula Enderle
Dreh- und Angelpunkt der Frage, ob und wie alphabetische Orthographie unabhängig von gesprochener Sprache begriffen werden kann, ist der Umgang mit phonographischen Kategorien. Der Autonomie-Diskurs bietet eine ganze Reihe von Problemen, die mitten in die Frage hineinführen, wie man alphabetische Orthographie überhaupt angemessen kategorial erfassen kann. Gibt es Grundbauprinzipien für die Wortschreibung, die sich in einem alphabetschriftlichen Schreibungssystem wiederfinden lassen? Welche notwendig zu beachtenden Beschreibungskategorien ergeben sich daraus für eine Wortschreibungssystematik des Deutschen?
Mit einer neuen Lesart des ‘Cours’ de Saussures läßt sich die Wortinterpretation als Ausgangspunkt jedes Wechsels zwischen Geschriebenem und Gesprochenem begreifen. Dabei erweist sich die silbische Interpretation von Wörtern als eigentliche Basis lautlicher Entschlüsselung, der Graphem-Phonem-Korrespondenzen lediglich nachgeordnet sind.
Die kritische Rekonstruktion von Konzepten, die für den Autonomiediskurs typisch sind – so der wichtige Ansatz der DDR-Forschungsgruppe und erstmals die Schriftlichkeitstheorie des Prager Strukturalismus – erweist sich somit als fruchtbar für Grundfragen der Schriftlichkeitsforschung.