Bacchanal im Himmel und andere Proben aus Ma’nkha
Walter Slaje
Um das Jahr 1144 n.Chr. schloss der indische Poet Mankha eine umfängliche Meisterdichtung ab, zu der er sich von einer Traumerscheinung seines verstorbenen Vaters hatte anregen lassen und der er den Titel „Sivas Taten“ (Srikanthacarita) gab.
Fünf thematisch unkonventionell gehaltene, dichterisch sehr einfallsreich ausgestaltete Werkabschnitte (sarga) mit einer Fülle von kulturgeschichtlich und realienkundlich aufschlussreichen Einzelheiten wurden in dieser Auswahlübersetzung in vier Kapitel zusammengeführt: Kapitel 1 bietet eine von zarter Ironie bis zu offenem Sarkasmus reichende Literatur- und Leserkritik des höfischen Literaturbetriebs jener Zeit. In Kapitel 2 liegt eine Beschreibung des vorislamischen Kaschmirs sowie von Mankhas Heimatstadt Srinagar vor. Er breitet darin seine Abstammung, die familiäre Einbindung, die weltlichen Karrieren und die religiösen Überzeugungen seiner Vorfahren und Brüder sowie auch die intentio auctoris für die Abfassung seines Werkes aus. Kapitel 3 schildert ein Trinkgelage der Unsterblichen und die in unmittelbarem Zusammenhang damit stehenden Ausschweifungen der Liebeslust in detailverliebt geglückter Darstellung. Das 4. Kapitel beinhaltet die erste Begegnung des Dichters mit seinem Publikum, dem er sein zur Reife gebrachtes Werk in öffentlicher Lesung vorstellt, um es der Kritik der dort versammelten Literaturkenner auszusetzen.
Um nicht nur dem bloßen Inhalt, sondern auch dem poetischen Gehalt von Mankhas Dichtung einigermaßen gerecht werden zu können, bedient sich die deutsche Übersetzung der Form des reimlos gebauten Madrigalverses, der flexibel genug ist, den komplex strukturierten und nicht selten durch gewollte Doppeldeutigkeiten semantisch verdichteten Wortlaut Mankhas sprachlich adäquat abzubilden.