Beeinträchtigte Arbeitskraft
Konventionen der beruflichen Eingliederung zwischen Invalidenversicherung und Arbeitgeber (1945–2008)
Alan Canonica
Unter dem Gesichtspunkt eines klassischen Kosten-Nutzen-Kalküls scheint es für Arbeitgeber wenig profitabel, Arbeitskräfte mit Leistungseinschränkungen zu beschäftigen. Weshalb tun sie es trotzdem? Die Studie geht dieser Frage nach und beleuchtet die Entwicklung der Arbeitsintegration von Menschen mit Behinderung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Invalidenversicherung und Arbeitgeber. Das Buch gibt einen Einblick in die Geschichte der beruflichen Eingliederung aus wohlfahrts-, wirtschafts- und unternehmenshistorischer Perspektive.
In der historischen und soziologischen Forschung wird die Arbeitsintegration von Menschen mit Behinderung vornehmlich aus der Perspektive des Sozialstaats und der Betroffenen untersucht. Die Rolle der Arbeitgeber bleibt häufig unterbelichtet. Diese Studie schliesst eine Forschungslücke und analysiert die berufliche Eingliederung auf zwei Ebenen: Zum einen werden Debatten um die Eingliederungspolitik der Invalidenversicherung (IV) beleuchtet, insbesondere die Aushandlungsprozesse zwischen der staatlichen IV und den Arbeitgeberorganisationen. Zum anderen werden auf der Mikroebene Haltung und Praktiken einzelner Unternehmen betrachtet. Die Ökonomie der Konventionen, die von einer Vielfalt ökonomischer Rationalitäten ausgeht, dient als Theorie- und Analyserahmen. Aufgrund welcher Kalküle sind Arbeitgeber bereit, Arbeitskräfte mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu beschäftigen, und auf welche Rechtfertigungsmuster rekurrierte die IV, um Menschen mit Behinderung als wertvolle Transaktionsobjekte an die Unternehmen zu «verkaufen»?