Beitrag zur Beherrschung der Mikrofräsbearbeitung von Polymethylmethacrylat
Ingo Gustav Reichenbach
Kurzfassung
Prototypen von mikrofluidischen Systemen werden heutzutage mittels Mikrofräsen hergestellt.
Ein verbreiteter Kunststoff hierfür ist der Thermoplast Polymethylmethacrylat, kurz PMMA.
Bei der Herstellung der Systeme stellen die applikationsangepasste Werkzeugauslegung für
Fräserdurchmesser D ≤ 50 μm sowie das gegenwärtig noch fehlende Prozessverständnis bei der
Zerspanung die Hauptgrenzen dar. Hauptziel dieser Arbeit ist die Beherrschung der
Mikrofräsbearbeitung von PMMA mit einer 3-achsigen Fräsmaschine. Die
Hauptanforderungen für die Prozessauslegung liegen in der Herstellung mikrofluidischer
Strukturen mit einer Rauheit Ra < 60 nm am Nutgrund und einer Grathöhe an den Flanken
h0 < 3 μm. Die Prozessauslegung umfasst dabei die komplette Kette von der CAD-Datei bis hin
zur Herstellung prototypischer mikrofluidischer Strukturgeometrien. Unter diesen Aspekten
ergeben sich als Teilziele das Vertiefen des Fräsprozessverständnisses sowie die Auslegung
von Mikroschaftfräsern und CAM-Bearbeitungsstrategien, die die genannten Anforderungen
bestmöglich erfüllen. Die Untersuchungen erfolgten mit einschneidigen Mikroschaftfräsern
D ≤ 50 μm. Basierend auf der im Fräsprozess vorkommenden Kinematik wurden für das Stirnund
Umfangsfräsen relevante Beziehungen für die Werkzeug-Werkstück-Interaktion
abgeleitet. Hierbei ließ sich nachweisen, dass die von der Spindeldrehzahl abhängige Plan- und
Rundlaufabweichung des Spindel-Werkzeug-Systems für das erreichbare Arbeitsergebnis
maßgebend ist. Nur unter Berücksichtigung dieser Mikro-Maschine-Spindel-Prozess-
Interaktion (MikroMSPI) lässt sich der Prozess reproduzierbar auslegen. Die erzielten
Erkenntnisse führen zu einem allgemeingültigen Prozessverständnis, welches auch die
Beherrschung anderer Mikrofräsbearbeitungen ermöglicht und somit der Erschließung neuer
Anwendungsgebiete dient.
Abstract
Today, prototypes of microfluidic systems are produced via micro milling. Here, the common
thermoplastic used is polymethyl methacrylate (PMMA). Main limitations are the design of
application adapted tools with diameters D ≤ 50 μm, and the understanding of the machining
process itself. Main requirements for process design involve the manufacture of microfluidic
structures with Ra < 60 nm on the groove bottom and a top burr overhang h0 < 3 μm. The
objective of this work is the mastery of stable PMMA micro milling with tool diameters
D ≤ 50 μm on a 3-axes milling machine. For this purpose, the process design covers the
complete process chain - from the CAD data file up to the final structure geometry of
microfluidic prototypes. The objectives are to design single-edge micro end mills, establish
milling parameters, and define CAD/CAM machining strategies that meet the requirements as
good as possible. Based on the kinematic of micro milling with single-edge tools, relevant toolworkpiece-
interactions for the face and peripheral milling were derived. The influence of the
spindle-tool-system and its interaction with the machining results was researched among other
factors. There is a strong influence of the spindle-tool-system by working with D ≤ 50 μm, and
the spindle speed dependent axial and radial runout is decisive for the achievable machining
results. Taking the micro-machine-spindle-process-interaction (MicroMSPI) into account
makes the repeatability and reproducibility of the process possible. The results and findings
obtained, provide a universal understanding of the micro end milling process. This enables the
process control for other micro end mill applications and opens up new markets.