Blende acht, die Sonne lacht
Odyssee einer Leica
Alfons Gellweiler
Im Jahr 1965 wird bei Leitz in Wetzlar eine Kamera mit der Seriennummer 10938xx gefertigt, die in der Photodrogerie einer deutschen Kleinstadt an einen Kunden verkauft wird, der sich dieses Meisterstück, eine Leica M3, zwar leisten, aber nicht wirklich glücklich damit werden kann. Zur gleichen Zeit entwickelt in dieser Drogerie ein fünfzehnjähriger Lehrjunge, eine Leidenschaft für die Photographie. Primär mit seinen Augen kann der Leser dessen provinzielle Welt der sechziger Jahre nicht allein durch den Sucher seiner vergleichsweise bescheidenen Kamera erleben. Von einer Leica kann er als Lehrling nur träumen; das Gewünschte liegt noch in der Ferne, verleiht aber gerade deshalb Flügel.
Der Erstbesitzer der Leica sieht sich nach einiger Zeit genötigt, sich von dem teuren Photoapparat wieder zu trennen. Er gelangt im zweiten Kapitel nahezu unbenutzt, in die Hände eines freien Mitarbeiters einer Zeitung und hilft dabei einen kleinstädtischen Skandal aufzudecken.
In einem Zeitraum von über fünfzig Jahren wandert die Messsucherkamera von Hand zu Hand, von Auge zu Auge. Sie befriedigt dabei entsprechend Alter, Beruf oder Interesse der jeweiligen Nutzer sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Ein Student erlebt beispielsweise zusammen mit der Leica die unruhige Zeit an seiner Universität Anfang der 70er Jahre, bevor die Kamera einen Südamerikareisenden begleitet.
Erzählt werden fiktive Lebensgeschichten einfacher Leute hinter und vor dieser außergewöhnlichen Kleinbild-Sucherkamera, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den Händen so bedeutender Photographen wie Henri Cartier-Bresson oder Ernst Haas Geschichte geschrieben hat und so zweifellos zu der Kameralegende schlechthin wurde.
Eingebunden werden die Begebenheiten in den Kontext zeitgeschichtlicher Hintergründe mit zahllosen Bezügen zu zeittypischen Sorgen und Freuden, Problemen und Gepflogenheiten, Musiktiteln und literarischen Werken, politischen Ereignissen und Ideologien.