Borderline sein oder nicht sein
Gedankenbiographie einer verrückten Psychiatriekrankenschwester in Reimen verfasst
Sevgi Gülpinar
Borderline – für Betroffene wie Sevgi Gülpinar ist es ein Leben an der Grenze. Geprägt von extremen inneren Spannungen bis hin zu Depressionen und Todessehnsucht, die oft binnen weniger Minuten wechseln, ist ihre Identität erschüttert. Sich Außenstehenden mitzuteilen ist ihr oft nicht möglich. Der Ausweg, „eine Erlösung“ zu finden, war schon sehr früh das Schreiben. Ihren Aufzeichnungen vertraute sie an, was ihre „gelähmte Zunge“ nicht sagen konnte. Eindringlich schreibt sie von ihrer Angst, Ohnmacht und Verletzlichkeit, aber auch von ihrer Hoffnung und Kraft, diese so verstörende Krankheit zu bewältigen. Beim Schreiben lernt sie sich selbst zu akzeptieren und zu verstehen und ihre extreme Sensibilität nicht als Stigma, sondern vielmehr als eine besondere Gabe zu begreifen. Ihr Glaube und das Schreiben helfen ihr dabei, sich aus eigener Kraft aus dem Dilemma der Seele zu befreien und neue Lebenskraft zu schöpfen. Egoismus, fehlende Werte, Inhumanität, Oberflächlichkeit und Heuchlertum und das Korrupte – es sind die Belastungen, die „Störungen“ unser modernen Gesellschaft, die sie zutiefst verstören und erschüttern, die sie als Faktoren für seelische Leiden ansieht. Mit der Veröffentlichung ihrer über ihre viele Jahre angefertigten Zeichnungen will sie Betroffenen sowie den Lesern aufzeigen, dass die Ursachen und die Entstehung des Borderline-Syndroms auf ein fatales Miteinander zurückzuführen sind und es leider nur als Krankheit der Gesellschaft verstanden wird. Ihrer Meinung nach ist seelisches Leiden ein menschliches Versagen, weil das Inhumanitäre im Menschen überhandnimmt. All ihre Aufzeichnungen sind mit einer Devise belegt, mit der sie an die Menschheit appelliert, nicht über wahre Werte einfach hinwegzusehen.