Bürokratische Bewältigung
Entschädigung für nationalsozialisitsch Verfolgte im Regierungsbezirk Münster
Julia Volmer-Naumann
Nach 1945 waren die überlebenden NS-Verfolgten auf Versorgungshilfen angewiesen. Auf ihre Forderungen nach einer „Wiedergutmachung“ des an ihnen verübten Unrechts und der entstandenen Schäden musste von deutscher Seite reagiert werden. Aus dem politischen, moralischen, sozialen und rechtlichen Auftrag wurde vor allem ein bürokratischer: Behörden wurden mit der Umsetzung der Entschädigung und der Auseinandersetzung mit den Ansprüchen der Verfolgten betraut. Mangels gesellschaftlicher Bereitschaft zur Beschäftigung mit der NS-Verfolgung war diese Praxis der Entschädigung ein gewichtiger Aspekt der deutschen „Vergangenheitsbewältigung“ der 1950er und 1960er Jahre. Vor die Schreibtische der Sachbearbeiter traten Antragsteller, die nach schwerster Schädigung und Traumatisierung neben Entschädigungszahlungen Verständnis und Gerechtigkeit erwarteten. Hinter den Schreibtischen saßen Verwaltungsmitarbeiter, die innerhalb enger rechtlicher und finanzieller Spielräume möglichst schnell und reibungslos über deren Anträge befinden sollten. Am nordrhein-westfälischen Regionalbeispiel wird dieser konfrontative Prozess – die „bürokratische Bewältigung“ der nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen – dargestellt, quantitativ analysiert und bewertet.