Carl Hauptmann – ein Einzelgänger zwischen dem Naturalismus und dem Expressionismus
Edward Bialek, Miroslawa Czarnecka
Der Sammelband gedenkt des im niederschlesischen Schreiberhau beheimateten Schriftstellers Carl Hauptmann (1858–1921) und setzt sich kritisch mit seinen in Vergessenheit geratenen Romanen und Dramen auseinander. Es handelt sich um das Werk eines Wanderers zwischen den literarischen Strömungen des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, dem es kaum gelang, Anschluss an den großstädtischen Literaturbetrieb zu finden und sich im Kultur- und Theaterleben einen festen Platz zu sichern. In seinen Kontakten mit dessen wichtigsten Vertretern: Verlegern, Theaterintendanten und Regisseuren fiel ihm oft – was ihn stets zutiefst verletzte – die Rolle eines Bittstellers zu. Kurt Pinthus nannte ihn einen „Rübezahl-ähnlichen, versonnenen Ekstatiker, den wir als eine Art Vorläufer unserer Generation – später die expressionistische genannt – ansahen“; auch Gottfried Benn sah ihn als einen Expressionisten an. Will-Erich Peuckert dagegen erblickte in ihm einen Mystiker.
Die Beiträge des Bandes bringen viele neue Erkenntnisse über Hauptmanns ästhetische Vorlieben zutage, deren Fülle ihn keiner Strömung eindeutig zuordnen lässt. In die naturalistische Szene hineingeboren neigte er doch zum Symbolismus; großen Respekt zeugte er seinen jüngeren Kollegen, die sich mit dem Expressionismus identifizierten; manche Kritiker dagegen glaubten in seinen frühen Texten Ansätze eines impressionistisch getönten Naturalismus entdeckt zu haben; sein schlesischer Landsmann Jakob Böhme scheint dem zum Mystischen neigenden Hauptmann ein Vorbild gewesen zu sein. So dient die im Titel der Aufsatzsammlung suggerierte Mittelstellung des zu seinen Lebzeiten verkannten und jetzt kaum mehr gelesenen Autors lediglich als Ansatzpunkt für die Diskussion über den ästhetischen Stellenwert seiner Dramen und Erzählungen.