Casseler Kunstausstellung 1922
Öffnung zur Moderne
Joachim Schroeder
Zum 100. Jahrestag wird die »Casseler Kunstausstellung«, die 1922 im Kasseler Orangerieschloss zu sehen war, in den Blick genommen. Ihre Präsentation war ein mutiges Unternehmen. Nach der politisch und sozial umkämpften Phase nach dem Ersten Weltkrieg sollte mit einer großen Schau wieder eine kontinuierliche Ausstellungspraxis beginnen, um das Niveau anderer großer Kunststädte zu erreichen. Da eine repräsentative Kunsthalle fehlte, wurde das nach der »Deutschen Kunstausstellung Cassel 1913« als Pflanzendepot genutzte barocke Schloss wieder hergerichtet; es sollte dauerhaft als Ausstellungsort dienen. Mehr als 70 Künstler stellten vom 3. Juni bis zum 27. August 1922 gut 300 Objekte aus: Malerei, Graphik, Plastik. Etwa die Hälfte konnte man zur ›neuen Kunst‹ rechnen, die damals unter dem Schlagwort »Expressionismus« zusammengefasst wurde und die wir heute »klassische Moderne« nennen. Die Ausstellung fand großen Zulauf, aber die ›neue Kunst‹ fand in Cassel wenig Anklang: In einer heftigen Kunstdebatte zwischen ›Traditionalisten‹ und ›Modernisten‹ um die sogenannte »Heimatkunst« wurde der »Expressionismus« überwiegend abgelehnt, ja ihm wurde sogar »Entartung« vorgeworfen. Damit einher ging die Diskussion um die zukünftige Ausrichtung der Casseler Kunstakademie: Ihr künstlerisches Schaffen sollte ›bodenständig‹ bleiben und aufgrund eines starken Heimatgefühls eine innige Verbindung zur hessischen Eigenart und Natur schaffen; nach der Pensionierung des Akademiedirektors Bantzer sollte sie nicht zur »Pflanzstätte von Expressionisten« werden. Anhand von 152 Abbildungen kann man sich ein gutes Bild von der bedeutenden Ausstellung machen. So stellte neben renommierten »Altmeistern« wie Hans Thoma und anerkannten »Modernen« wie Lyonel Feininger erstmals Arnold Bode, der spätere Gründer der documenta, aus.