Change Ringing
Ein Londonjournal
Andreas Nentwich
Ein halbes Jahr London! Wie ein Schüler oder Student darf er in die Stadt, die ihm seit jeher Sehnsuchtsort ist. Vom Eastend aus zieht es ihn an die Themse, in die Parks, nach St Paul’s zum Evensong. – London sehen, London hören, Mensch im Freien sein. Er sucht nichts und findet. Jeden Tag. Bald hat er eigene Wege, eigene Orte und mit Jogging im Victoria Park, Cheesecake bei Rinkoff und dem Twentyfive nach Ilford sogar so etwas wie ein ambulantes Zuhause. Allenthalben Demos. »Wenn Burkafrauen zum Straßenbild gehören, gehören sie zum Straßenbild«, notiert er. Alltag heißt für ihn, den Zaungast, Ereignis, heißt, sich der Bauweise der Kathedralen hinzugeben, in der Tate Modern das Licht von Turner, die Wolken von Constable zu sehen. Alles zählt.
Andreas Nentwichs Journal Change Ringing ist ein Wechselspiel zwischen Brexit und Gothic Revival, zwischen der Metropole und einem inneren Koordinatensystem, zwischen Lichttagen, Grüntagen und solchen ohne Kompass. Immer ist Veränderung, und immer ist Vergänglichkeit. Das Altern sitzt im Nacken. Aber da ist der große Versuch, Wirklichkeit in der eigenen Sprache sichtbar und fühlbar werden zu lassen.