Chrysalis
Ines Birkhan
Das gesellschaftliche Projekt Sanhortus gerät aus den Fugen. Gestalten der Kindheit unterliegen bizarren Verwandlungen oder zeigen sich in bestürzender Vieldeutigkeit, erleben unheimliche Bewusstseinszustände und Erfahrungen bis hin zur Auflösung der Körpergrenzen. Die Trennwand von Innen und Außen bricht. Wer wagt sich ins Unbekannte? Eine Schwester und ein Bruder stehen im Bann des zwingenden Auftrags, im Laufen, Fliegen und Erinnern Katastrophen abzuwenden. Sprechende Tiere gesellen sich zu dem Geschwisterpaar. Die einen bewirken Verhängnisse, beruhen die Zeremonien ihrer Reproduktion doch auf der Verletzung, Spaltung und sexuellen Enteignung von Menschen. Die anderen bringen mütterliche Zuwendung, einen gemütlichen Dialekt oder aber neue therapeutische Verfahren ins Spiel. Der Roman denkt in weit gespannten Räumen, von der unterirdischen Architektonik in der Wüste hin zu komplexen Firmenanlagen, zu Insellandschaften oder dem verarmten Rand der Städte. Mögen die Bilder und Einbildungen von ‚Chrysalis‘ noch so ungewohnt anmuten: die Elemente der Bedrohung, die den vielschichtigen Erzählstrom vorantreiben, sind unserer Gegenwart entnommen. Es geht um ökonomische Machtspiele, um irritierende Eingriffe der Medizin und Pharmazie, um die menschenverursachte Naturzerstörung. Natur und Kultur, Tier und Mensch, Rettung und Gefahr überwinden dabei festgeschriebene Rollen. Ihre Überschneidungen, Durchlässigkeiten und gleichen Gültigkeiten verstören. Die phantasievolle, körperliche Sprache ist ein Ereignis für sich.