Das Haus XV B (Maison 49, 19) von Megara Hyblaia
Zur architektonischen und funktionalen Gliederung von Zweihofhäusern im hellenistischen Sizilien
Annette Haug, Dirk Steuernagel
Das Haus XV B (auch bekannt als Maison 49,19) in Megara Hyblaia, einer antiken Kleinstadt bei Syrakus, gehört zu den größten Wohnkomplexen des hellenistischen Siziliens. Verteilt um zwei Höfe beherbergt das Haus aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. eine ganze Reihe großzügig geschnittener >Haupträume<, zugleich jedoch Bereiche mit Installationen für produktive Tätigkeiten. Damit gehört es zu den auch unter sozial- und kulturhistorischen Gesichtspunkten besonders interessanten hellenistischen Wohnbauten – und macht das bereits in den 1960er Jahren ausgegrabene, seither aber im Grunde unpubliziert gebliebene Haus zum lohnenden Objekt für eine bauhistorisch-archäologische Befundanalyse, die hiermit nun vorliegt.Am Beispiel des Hauses XV B lassen sich einige für das hellenistische Wohnen grundsätzliche Probleme untersuchen. So erbringt die neue Analyse wichtige Erkenntnisse zur Entstehung des großflächigen Zweihofhauses im Zusammenhang und in Abhängigkeit von einem präexistenten, kleinteiligen Insula-System der vorhellenistischen Stadt. Die Unterscheidung von zwei Hauptbauphasen ermöglicht Rückschlüsse auf ein sich wandelndes Verständnis von repräsentativem Wohnen, das sich insbesondere an Wegführung innerhalb des Hauses, Zugänglichkeit von Räumen, deren Funktion(en) und kultureller Semantik aufzeigen lässt.Die detaillierte Analyse des Einzelbefundes bildet den Ausgangspunkt für eine Diskussion übergreifender Fragestellungen zu Wohnbauten hellenistischer Zeit, die unter Einbeziehung weiterer, vorwiegend sizilischer Beispiele geführt wird. In den Blick kommen so das Verhältnis von Hausgrundriss und urbanistischer Strukturierung, die Konzeption von Zweihofhäusern und insbesondere die Funktionen von Räumen und Hausbereichen. Betonten frühere, teils durch Vitruvs Beschreibung des ‚griechischen Hauses‘ angeleitete Deutungen von Zweihofhäusern die Separierung bestimmter Nutzungsformen (z. B. geschlechtsspezifisch oder im Sinne der Differenzierung von >privater< und >öffentlicher< Sphäre), so führt eine kritische Durchsicht der Befunde zu einer weniger strikten Unterscheidung: statt funktionaler Determination ist demnach eher mit atmosphärischer Stimulation und Vorprägung sozialer Umgangsformen zu rechnen.Am Ende wird der Fall des Hauses XV B von Megara Hyblaia noch einmal in den Kontext seines historischen Umfeldes – einer bescheidenen Landstadt unter Einfluss der Metropole Syrakus – und in den Rahmen von Methodendiskussionen zu Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion antiker Nutzungsformen von Wohnarchitektur gestellt.