Das Mühlviertel in seinen Sagen
Vom beschriebenen Tännling
Josef Kramer
WAS SAGEN
im verstaubten,
im finsteren dachboden habe ich als kind
in alten truhen und kästen herumgestöbert.
die muffige luft, mäusedreck, angenagtes papier, das flaue gefühl, etwas verbotenes zu tun –
meine erinnerung an die lustvolle suche nach „alten sachen“.
am vorabend des palmsonntag roch es in unserer stube nach lärche, eiche, buchsbaum, hasel, zeder und äpfeln. mein vater band den palmbuschen – feierlich war das, sehr feierlich.
tags darauf durfte ich den buschen an der langen stange bei der prozession in die schlosskapelle tragen; schloss vichtenstein war für uns nur an diesem tag zugänglich. beim gang durch den schlosshof glitt mein blick über die vielen fenster. ich sah sie nicht, aber ich ahnte sie, „die ritter“.
auf meinem schulweg durch den wald stieß ich eines tages auf steine, die im sonnenlicht aufblitzten. in ihren spalten staken winzige bergkristalle. ich war einige wochen lang erfüllt von der vorstellung, einmal einen ganz besonderen fund zu machen.
hinter unserem haus macht der wald einen buckel,
die einheimischen nennen ihn tischwinkel.
in diesem waldwinkel stehe ich bei einem meiner kreuz- und quergänge unvermittelt vor einer ruine; das war einmal ein bauernhof.
in den verfallenen mauern haben fichten ihre wurzeln verkrallt, sie sind jahrzehntelang darüber hinausgewachsen.
ein finsteres loch, der kellereingang. abgetretene schwellen, mächtige steinquader am eck, fast fugenlos aufeinandergesetzt.
ein verschütteter brunnen.
die verlassene bühne weckt bilder.
ich baue in meinem kopf über den resten den hof neu auf. da die stube, die küche, dort den stall und im hof die gred. etwas abseits, das muss das backhäusl gewesen sein. unter nadeln und blättern liegt weggeworfener hausrat.
ein flachgewetztes hufeisen sagt mir, dass es lange auf großem pferdehuf die steinigen wege abgeklappert hatte.
statt hufe findet man autoreifen,
die dachböden sind entrümpelt,
fußpfade verloren,
die uralten baumriesen wurden gefällt,
die nassen wiesen zur ader gelassen,
wo wächst noch der sonnentau?
statt hausnamen gibt’s nummern,
statt flurnamen zahlen im grundbuch.
was werden die dinge einmal sagen können,
wenn die zeit
spurlos
an ihnen vorübergeht
oder
sie auslöscht?
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