Das Phänomen der unvollständigen Gestalt in der griechischen Kunst
Unterschiedliche Facetten eines besonderen Darstellungsmittels
Lucie Siftar
Obwohl die unvollständige Gestalt als Bestandteil eines narrativen Kontextes in der griechischen Flächenkunst vielfach greifbar ist, hat sie bislang noch nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdient. Das vorliegende Werk unternimmt erstmals eine systematische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Besonders am Beispiel der Vasenbilder kann gezeigt werden, dass es sich bei dem Abschneiden einer Figur durch den Rahmen zumeist um ein sehr bewusst herangezogenes Darstellungsmittel handelt. Auf diese Weise kann nicht nur Bildraum eingespart und zugleich Handlungsraum gewonnen werden, sondern es lassen sich an die Teilfigur auch unterschiedliche semantische Werte knüpfen. Ausgehend von den Gesetzmäßigkeiten der optischen Wahrnehmung machten sich die Bilderzeuger eben diese kreativen Möglichkeiten zunutze, ihre dargestellten Inhalte mit gesteigerter Effizienz in Szene zu setzen und den Betrachter in höchstem Maße einzubinden.