Der Begriff der Klugheit bei Aristoteles
Pierre Aubenque, Ulrich Johannes Schneider, Nicolai Sinai
Pierre Aubenque, der Nestor der Aristotelesforschung in Frankreich und Europa, verbindet wie kein zweiter das Interesse an der richtigen Nachzeichnung des Denkens der griechischen Philosophie der Antike mit dem intellektuellen Projekt der philosophischen Aufhellung und Beantwortung der Frage nach der Funktion und Bedeutung der von den Griechen begründeten Ethik in unserer Zeit. Seine große Leistung besteht darin, präzise herausgearbeitet und gezeigt zu haben, dass die hohe Bewertung der Klugheit, die Aristoteles in seinen Schriften zur Ethik zum Ausdruck gebracht hat, keineswegs einer pragmatisch verkürzten Auffassung von der Tugendlehre das Wort reden will, die uns freistellt, aus willkürlichen Erwägungen der Nützlichkeit beliebig und nach Gusto zu handeln. Klugheit ist keine billige Tugend, sondern Ausweis unserer Urteilskraft und unserer Fähigkeit, unter je gegebenen Umständen aus erwogenen Gründen verantwortlich zu handeln: »Auf halbem Wege zwischen einem absoluten Wissen, welches die Handlung nutzlos machen würde, und einer chaotischen Wahrnehmung, welche die Handlung unmöglich machen würde, repräsentiert die aristotelische Klugheit die Chance und das Risiko menschlichen Handelns«.