Der Bildhauer Etienne Béothy
Werk und Ästhetik
Alfred Meurer
Der Bildhauer Etienne Béothy (urspr. István Beõthy, 1897-1961) gehört zu der Vielzahl ungarischer Künstler, die nach dem ersten Weltkrieg aus ihrer Heimat emigrierten, um im westlichen Ausland in einer günstigeren politischen und geistigen Atmosphäre arbeiten zu können. Béothy ließ sich 1925 in Paris nieder und entwickelte dort ein zunehmend eigenständiges Œuvre im Grenzbereich zwischen Figuration und Abstraktion. Insbesondere seine von rhythmischen Wellenbewegungen dynamisierten Holzskulpturen, die lyrisch-abstrakten „Rythmes-plastiques“, gehören zu den eigenwilligsten Werken der internationalen klassischen Moderne in Paris.
Béothy strebte von Anfang an nach einer theoretischen Fundamentierung seines künstlerischen Werkes. Dazu entwickelte er, ausgehend von der traditionellen Idealproportion des Goldenen Schnittes, die Proportionslehre „La Série d’Or“, mit deren Hilfe er stets eine nach seinem Verständnis harmonische Proportionierung der plastischen Arbeiten gewährleisten konnte.
Die vorliegende Dissertation bietet in einer Fülle von Einzelanalysen erstmals einen strukturierten Überblick über das plastische Œuvre Béothys. Darüber hinaus werden die theoretischen Schriften des Künstlers, allen voran „La Série d’Or“, vorgestellt, kritisch kommentiert und in ihrem Verhältnis zum plastischen Werk und zu ihren Vorläufern untersucht.
Besonderes Augenmerk ist der interdisziplinären Untersuchung einzelner Themenbereiche gewidmet, die sich als Spezifika des Béothyschen Werkes erweisen: die Musik als strukturelles Vorbild für die Bildhauerei, der Rhythmus als plastische Form, die Rezeption traditioneller ungarischer Grabstelen, der Übermensch Nietzsches und anderes mehr.
Mit dem Buch wird ein bedeutender Künstler und Theoretiker der Moderne wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gebracht, der in den letzten Jahrzehnten aufgrund widriger Umstände zu Unrecht fast in Vergessenheit geraten war.