„Der Idiot ist unsere Wirklichkeit“: Das Groteske in der russischen Kultur und Alfred Schnittkes Oper „Leben mit einem Idioten“
Amrei Flechsig
Alfred Schnittkes Oper „Leben mit einem Idioten“ ist hier Gegenstand einer breit angelegten kulturgeschichtlichen Analyse, die das Groteske in den Fokus rückt. Bei ihrer Uraufführung 1992 in Amsterdam wurde die Oper nach einer Erzählung von Viktor Erofeev von den Rezensenten als ein sarkastischer und grotesk-karikaturistischer Rückblick auf die sowjetische Vergangenheit wahrgenommen.
Handelt es sich bei der Oper um ein Paradebeispiel für das Groteske in einer spezifisch russischen Ausprägung? Um dieser Frage nachzugehen, werden in einer multiperspektivischen Untersuchung verschiedene kulturelle Zusammenhänge beleuchtet. Dabei wird die Oper ebenso wie die zugrunde liegende Erzählung in den gattungs- und zeithistorischen Kontext eingeordnet, u.a. in Auseinandersetzung mit so wesentlichen Komponisten wie Šostakovic, Stravinskij und Prokof’ev. Die Kontextualisierung des Werkes gibt gleichzeitig Hinweise darauf, welche Rolle das Groteske in der russischen Kultur allgemein spielt.
Der Band leistet nicht nur einen nachhaltigen Beitrag zur Schnittke-Forschung, sondern beleuchtet das Groteske über das Musikalische hinaus auch in seinen vielfältigen kulturgeschichtlichen Bezügen in der russischen Literatur und Literaturtheorie wie der bildenden Kunst.****************Alfred Schnittke’s opera Life with an Idiot is the subject of this broadly-based cultural-historical analysis, which turns its focus on the theme of the grotesque. When the opera, based on a short story by Viktor Erofeev, was premiered in Amsterdam in 1992 it was seen by reviewers as a sarcastic and grotesquely-caricatured look back at the Soviet past.
The opera, like the story it is based on, is placed in its generic and historical context, including its engagement with significant composers such as Shostakovich, Stravinsky and Prokofiev.
This study is not only an enduring contribution to the research on Schnittke, but also highlights the role of the grotesque beyond its musical manifestation in the context of its cultural-historical relationships with Russian literature and literary theory and with the visual arts.