Der Isenheimer Altar
Meisterwerk eines evangelischen Katholiken
Joachim Vobbe
Der Isenheimer Altar ist eines der letzten großen künstlerischen Glaubenszeugnisse der noch ungeteilten westlichen Kirche. Aus dieser Erkenntnis ist der ungewöhnliche Untertitel erwachsen: Meisterwerk eines evangelischen Katholiken. Wenn aus der Betrachtung des Isenheimer Altars Mut erwüchse für eine verstärkte ökumenische Sensibilität, ein verstärktes ökumenisches aufeinander Zustreben anstelle des peinlichen Einsseins in der Trennung, die sogar eucharistisch zelebriert wird, dann würde dieser Altar auch den Kirchen und nicht nur Einzelpersonen auf einem Weg in die Zukunft helfen. Die gemalten Teile des Isenheimer Altars sind vermutlich unmittelbar vor Martin Luthers Thesenanschlag, der die Reformation auslöste, entstanden. Daraus lässt sich schließen, dass Grünewald den reformatorischen Aufbruch mit großem Interesse verfolgte. Ein wesentliches Anliegen Luthers, nämlich den Christen die Lektüre der Bibel nahezubringen, muss auch Grünewald schon vor 1517 sehr bewegt haben. Die Unmittelbarkeit des biblischen Anspruchs an unseren Glauben, oder mit einem abgegriffenen Modewort, das „Betroffenwerden“ durch die bildliche Wiedergabe des biblischen Gotteswortes möchte ich in der herkömmlichen ökumenischen Terminologie als „evangelisches“ Anliegen bezeichnen. Dann aber gibt es wiederum auch den „katholischen“ Grünewald, den, der sich auskennt in den Litaneien und Legenden, in den dahinter liegenden dogmatischen Konstruktionen und ihren kirchlichen Frömmigkeitsformen. Immer aber bleibt der „evangelische“ dem „katholischen“ Grünewald verbunden.