Der leidende Mensch in der Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft.
Frank Schulz-Nieswandt
Das neuere, aus dem individualisierten supranationalen Völkerrecht und dem konstitutionellen EU-Regime resultierende Inklusionsrecht drängt verstärkt zur De-Institutionalisierung und Ent-Hospitalisierung. Die Übergänge der alten in die neue Welt des Miteinanders sind jedoch voller Widersprüche, Konflikte und Ambivalenzen. In diesem normativen Lichte der Inklusionsgrundrechte gibt es keine ausgegrenzten »Sonderwelten«. Der homo patiens in allen seinen Erscheinungsformen im Lebenszyklus (als chronisch Kranker, als Mensch mit Behinderungen, mit Demenz oder als pflegebedürftiger Mensch) soll unter uns und mit uns »normalisiert« leben. Er soll Teil der sozialen Mitwelt einer (gabeanthropologisch definierten) Gemeinde als Hilfe- und Rechtsgenossenschaft sein. Doch ist die Kommune in diesem Sinne wirklich offen, »gastfreundschaftlich« gegenüber der Alterität? Die interdisziplinäre Studie spürt im Lichte vielfältiger Feldforschungserfahrungen die kulturelle Grammatik und auch die seelischen Grundlagen als Psychodynamik der Ausgrenzung auf. Affektpsychologisch dominiert mitunter ein Paradigma der »Hygieneangst«, die einerseits evolutionär zu verstehen, doch sodann tiefenpsychologisch als Ablagerung sozialisatorischer Inskriptionen kulturgeschichtlich zu dechiffrieren ist. Insofern geht es mit Blick auf die neuen Wohnformen des homo patiens, auch des höheren Alters im Generationsgefüge schlechthin, nicht nur um die notwendigen Voraussetzungen rechtlicher Rahmenbedingungen und finanzwirtschaftlicher Geschäftsmodelle, sondern um die Überwindung psychogrammatisch abgelagerter kultureller Skripte als hinreichende Bedingung für humangerechte Formen des sozialen Miteinanders.