Dialekt im Alltag
Eine empirische Untersuchung zur lokalen Komponente heutiger schweizerdeutscher Varianten
Helen Christen
Die mediale Diglossie, die den Sprachformengebrauch der deutschsprachigen Schweiz regelt, sieht für den mündlichen Bereich Dialekt vor. Wie sehen nun diese Varietäten aus, die in der binnenschweizerischen Kommunikation verwendet werden? Lassen sich die idiolektalen Varietäten beliebiger Sprecherinnen und Sprecher des Schweizerdeutschen überhaupt lokalisieren? Die vorliegende Studie wertet die Interviews mit 42 jungen schweizerdeutsch Sprechenden aus, die nicht den üblichen Anforderungen an ‚ideale‘ dialektologische Gewährspersonen genügen müssen, deren Sprachproduktionen aber für den heutigen Alltag des polylektalen Dialogs stehen können. Um die lokale Komponente dieser Varietäten zu erfassen, wird ein horizontales Vergleichsverfahren angewandt, das die einzelnen Idiolekte an den Grundmundarten mißt, d.h. hier an jenen Größen, die der „Sprachatlas der deutschen Schweiz“ als sprachgeographisches Grundlagenwerk ermittelt hat. Dieses Verfahren führt einerseits zu einer erfolgreichen binnenschweizerischen Lokalisierung der untersuchten Varietäten durch die Mehrheit der realisierten dialektalen Varianten, andererseits können jene Werte, die nicht mit den Grundmundarten übereinstimmen, als Indizien für Veränderungen schweizerdeutscher Varietäten gewertet und interpretiert werden. Als Ergebnisse können dabei Konvergenzerscheinungen konstatiert werden, die teilweise auf zunehmend großräumige Dialektareale hinweisen, aber nicht zwingend zu größerer Standardnähe führen.