Die 50er Jahre im Landkreis Dachau
Wirtschaftswunder und Verdrängung
Annegret Braun
Die 50er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs. Die ersten Nachkriegsjahre waren vorbei, die Trümmer weggeräumt, die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen untergebracht. Man wandte sich der Zukunft zu. Eine hoffnungsvolle Epoche begann, die als „Wirtschaftswunder“ in die Geschichte einging. Viele Menschen verdienten mehr und konnten sich etwas leisten: ein Auto, ein Badezimmer, einen Fernsehapparat und vielleicht noch einen Urlaub in Italien. „Wir sind wieder wer“ war das neue Lebensgefühl nach dem Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Bern 1954.
Das Wirtschaftswunder hatte Auswirkungen auf viele Lebensbereiche: In der Landwirtschaft übernahm der Traktor die Feldarbeit, viele Dorfbewohner pendelten nach München zur Arbeit, am Dorfrand entstanden neue Siedlungen und am Wochenende sah man sich Kinofilme an – im Lichtspielhaus oder in der Wirtschaft.
Es war die Zeit des Rock’n’Rolls, des Nierentischs und der Isetta. Doch es war auch eine Zeit, in der man die Vergangenheit verdrängte. Das hatte Auswirkungen: Ehemalige Nationalsozialisten saßen wieder in Amt und Würden und im ehemaligen Konzentrationslager wohnten immer noch Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Die Opfer des NS-Regimes litten ungehört und nationalsozialistisches Gedankengut wirkt bewusst oder unbewusst weiter.
Die Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau hat die 50er Jahre mit seinen Licht- und Schattenseiten erforscht, in Archiven recherchiert und Zeitzeugen befragt. Zusammen mit renommierten Wissenschaftlern ist eine Aufsatzsammlung entstanden, die die 50er Jahre in all seiner Vielschichtigkeit zeigt und ein facettenreiches Themenspektrum zu „Wirtschaftswunder und Verdrängung“ bietet.