Die Beamten des Himmels
Über Engel
Giorgio Agamben, Andreas Hiepko
In fast allen Religionen erscheinen sie, die Mittler zwischen Himmel und Erde, die Boten, Kundschafter und Wächter. Jakob sieht sie im Traum, bei der Opferung des Isaak greift ein Engel ein, und der Engel des Herrn erscheint Moses im brennenden Busch. In den Psalmen sind sie gegenwärtig, im Talmud, in den Midraschim, in der Liturgie und in der mystischen Tradition. In den Evangelien verkünden Engel die Geburt Jesu, sie verleihen ihm bei seinen Versuchungen Kraft, sie sind bei seiner Auferstehung zugegen und werden ihn bei seiner Wiederkunft begleiten. Im Islam protestieren sie vor Allah gegen seinen Plan, menschliche Wesen ins Leben zu rufen. Eine ihrer Aufgaben ist es, gute und schlechte Taten aufzuzeichnen.
Dionysius Areopagita hat die Hierarchie der Engel festgelegt: die Seraphim, die Gott am nächsten stehen, die Cherubim als Beschützer des Gartens Eden sowie die Thronoi („erhabene Gestalten“). Darunter stehen die „Herrschaften“, „Mächte“ und „Gewalten“, auf welche die „Fürstentümer“, „Erzengel“ und die „Engel“ (Schutzengel) folgen; sie sind den Menschen am nächsten. Die Analogie zu einem königlichen Hofstaats, in dem Höflinge und Beamte zwischen König und Volk vermitteln, ist unverkennbar.
Giorgio Agamben folgt in seinem Essay den verschiedenen Interpretationen und Funktionszuschreibungen, die Engel in ihrer Deutungsgeschichte erfahren haben. Dabei steht die Frage nach ihrem Verhältnis zur Macht im Mittelpunkt, sind sie es doch, die in der trinitarischen Ökonomie des Himmels und deren säkularen Erscheinungsformen als »Beamte des Himmels« die Macht in all ihrer Herrlichkeit repräsentieren. Das Weltliche und das Heilige fallen zusammen im Begriff der Hierarchie, und steht diese erst einmal, genau wie in Kafkas Universum, im Zentrum, neigen Engel und Bürokraten dazu, sich zu vermischen: Zuweilen ist die Verwaltung der irdischen Monarchie das Muster für die englischen Ministerien, umgekehrt kann die himmlische das Urbild für die irdische Bürokratie bilden.