Die blauen Schwingen
Roman
Ernst Wiechert
Die Schatten des Krieges liegen tausendfältig über diesem Werke. Es ist begonnen worden an der galizischen Front und beendet in den Stollen der Champagne. Österreichische Offiziere sangen mir all-abendlich das Lied von den Kranichen, weil sie wußten, daß es Gestalt werden sollte in diesen Blättern, und als die Blätter beendet waren, fiel schon die Nacht des Schicksals über ihr Heimatland. Vaterland starb mir und Kind in jener Zeit. Und die Seele, die noch zwischen den Dingen stand, schrieb müde Worte, die am Sinn des Seins verzagten. Sie gab ihn noch nicht der Wirrnis des Lebens, sondern sie suchte ihn noch darin. (Ernst Wiechert)
In diesem frühen Roman aus dem Jahr 1925 sind bereits die wesentlichen Motive des späteren schriftstellerischen Gestaltens und Wirkens des Ostpreußen Ernst Wiechert vorgezeichnet: die enge Verbundenheit mit der Heimat, das Geborgenfühlen in der Natur, die Sehnsucht nach Stille und dem einfachen Leben, die religiös grundierte Suche nach dem Sinn des Daseins, das vorsichtige Herantasten an eine Metaphysik der Liebe und die Skepsis gegenüber dem Lauten, Prahlerischen der Moderne.
Reinhold Schneider hat in einer Würdigung zum Tode Ernst Wiecherts im Jahre 1950 die Bedeutung dieses begnadeten Erzählers des deutschen Ostens aus dem Land der dunklen Wälder und kristall’nen Seen auch für die deutsche Gegenwart geschrieben: Wie wenig haben wir noch das Gefühl für die Schwingungen der Seele, die von jenseits der Weichsel kommt! Ihr hat Ernst Wiechert die Klanggestalt seiner Dichtung gegeben; sie ist östliche Musik, durchzogen vom Refrain der Naturgewalt und von der Stille. Selbst die Menschen sind Klänge, Akkorde; die Landschaft der Seen, Wälder, Dünen ist das Instrument. Diesem Elemente, weit mehr als dem eigentlich Erzählerischen, verdankt er seine Wirkung. Der Klang bleibt frei; er ist auf die eingebrochenen Brücken nicht angewiesen.