Die gespaltene Mutterschaft im Spiegel des deutschen Verfassungsrechts
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit reproduktionsmedizinischer Verfahren zur Überwindung weiblicher Unfruchtbarkeit. Ein Beitrag zum Recht auf Fortpflanzung
Anabel Hieb
Warum kann trotz der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der modernen Reproduktionsmedizin einer Gruppe von Menschen, die sich wegen ungewollter Kinderlosigkeit in ärztliche Behandlung begibt, in Deutschland nicht geholfen werden — auch wenn dies aus medizinischer Sicht durchaus möglich ist? Grund hierfür ist, dass die unter der Bezeichnung „gespaltene Mutterschaft“ zusammengefassten reproduktionsmedizinischen Verfahren zur Überwindung weiblicher Infertilität mit Ausnahme der Embryospende durch das Embryonenschutzgesetz verboten sind.
Angesichts des Umstandes, dass ungewollte Kinderlosigkeit nach medizinpsychologischen Erkenntnissen zu dem Schlimmsten gehört, was einem Paar, jedoch insbesondere einer Frau widerfahren kann, aber auch aufgrund der Zulässigkeit der die Vaterschaft spaltenden Reproduktionsverfahren stellt die Verfasserin die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimation dieses durch das Embryonenschutzgesetz geschaffenen Zustandes. Dementsprechend überprüft sie die die gespaltene Mutterschaft betreffenden Verbotsvorschriften anhand einer verfassungsrechtlichen Beurteilung der zur Spaltung der Mutterschaft führenden Reproduktionsmethoden. Die verfassungsrechtliche Beurteilung ist auf die vier klassischen, im Ausland zum Teil bereits etablierten Reproduktionsmethoden zur Überwindung weiblicher Infertilität – die Eizellspende, die Embryospende, die Ersatz- und die Tragemutterschaft – begrenzt. Die Verfasserin untersucht, ob die Spaltung der Mutterschaft tatsächlich von Verfassungswegen als unzulässig zu erachten ist oder ob nicht vielmehr die zur gespaltenen Mutterschaft ergangenen Verbotsvorschriften des Embryonenschutzgesetzes in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise Grundrechtspositionen verkürzen.