Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Ursachen von Hoffmann,  Gerd, Sello,  Erich

Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Ursachen

Geschichte der Justizmorde von 1797-1910

Richterliche Fehlurteile sind so alt wie die Geschichte des Strafrechts. Die Literatur berichtet seit Jahrhunderten von einer Fülle aufsehenerregender Justizirrtümer, und auch heute noch begehen Gerichte von Zweifeln ungetrübt Justizmorde. So stellte sich in Deutschland 1989 nach sechs Jahren Haft die Unschuld des wegen Mordes verurteilten Michael Mager heraus, nachdem der wahre Täter gestanden hatte. Der nicht geständige angebliche Bankräuber Donald Stellwag mußte eine achtjährige Haftstrafe voll verbüßen bis sich im Anschluß daran die Täterschaft eines Doppelgängers herausstellte. Viele Gründe sprechen für die Wahrscheinlichkeit einer Fehlverurteilung des seit siebzehn Jahren im Gefängnis sitzenden Franz-Josef Sträter. In England kam anfangs 2001 nach 27jähriger Haft die Schuldlosigkeit des angeblichen Mörders Stephen Downing ans Licht, und in den USA scheint sich angesichts einer Flut revidierter falscher Todesurteile eine Änderung in der Einstellung zur Todesstrafe anzubahnen. Hier sollen sogar Geschworene noch im Jahr 2000 über die Schuld des Angeklagten durch Werfen eines Silberdollars entschieden haben, nachdem sie keine Einigung erzielen konnten. Kein Wunder, daß es dort mittlerweile eine eigene Zeitschrift mit dem Titel „Justice: Denied. The Magzine for the wrongly convicted“ gibt und in Chicago der erste Kongress der irrtümlich zum Tode Verurteilten stattfand. Dabei verteidigen Gerichte und Staatsanwaltschaften hartnäckig einmal gefällte Urteile und leugnen die Möglichkeit eines Justizmordes: Verurteilte, die während der Haft unbeirrt ihre Unschuld beteuern, werden nicht begnadigt, da die Einsicht zur Tat fehle und Wiederholungsgefahr bestehe.
Man ahnt, daß die Zahl der Justizirrtümer weitaus höher sein muß, als es die gelegentlich vorkommenden Freisprüche in den seltenen Wiederaufnahmeverfahren glauben lassen könnten – nicht nur in Fällen von lebenslanger Haft oder Todesstrafe, sondern auch bei Verurteilung zu zeitiger Freiheits- oder Geldstrafe. Fachleute halten die Menge der unbekannt bleibenden Fehlurteile allgemein für bedeutend. Soweit Zahlen genannt werden, handelt es sich hierbei aber entweder um die persönliche Einschätzung des jeweiligen Autors oder um Angaben, die sich an Statistiken über Wiederaufnahmeverfahren oder an Untersuchungsergebnissen hinsichtlich einer begrenzten Anzahl von Strafverfahren orientieren.
Dennoch ist die Öffentlichkeit für die Problematik des Fehlurteils kaum sensibilisiert. Die Gesellschaft reagiert allenfalls empört, wenn ein Freispruch als ungerechtfertigt oder ein Urteil als zu milde empfunden wird. Ansonsten werden Gerichtsentscheidungen eher teilnahmslos hingenommen. Auch in der juristischen Fachliteratur stößt das Thema, außer einigen Arbeiten zu Spezialthemen, nur wenig auf Interesse.
Angesichts der Brisanz des Themas erscheint die Neuauflage der berühmtesten deutschsprachigen Darstellung von Justizirrtümern von aktueller Bedeutung. Erich Sellos Arbeit „Die Irrtümer der Strafjustiz und ihre Ursachen“ gehört auch heute noch zu den Grundlagenwerken der Fehlurteilforschung und sollte eine gewinnbringende und nachdenklich stimmende Pflichtlektüre für jeden Juristen und Kriminalisten sein. In Sellos Buch einigt sich das Talent des Dichters mit dem Wissen des Rechtsgelehrten und den Erfahrungen des Praktikers. Der seinerzeit prominente Berliner Strafverteidiger (*1852 †1912) beweist in seinem spannend zu lesenden Werk anhand einer Fülle zumeist sorgfältig recherchierter und höchst interessanter Vorkommnisse aus der gerichtlichen Praxis des In- und Auslandes, wie leicht trotz vermeintlich eindeutiger Beweislage existenzvernichtende Fehlurteile ergehen können. In einer systematischen Zusammenstellung von mehr als 150 Fällen sichererer oder sehr wahrscheinlicher Fehlurteile zeigt Sello die vielfältigen Erscheinungsformen des Justizirrtums auf und verdeutlicht die ursächlichen Fehlerquellen. Dabei spart der Autor auch nicht an Kritik strafprozessualer Mißstände, wie zum Beispiel die Starrheit des Wiederaufnahmeverfahrens, die Problematik des Laienrichtertums sowie die Fragwürdigkeit der Todesstrafe. Nicht selten fließen in die Darstellung rechtsvergleichende Bemerkungen ein.
Das Buch Sellos ist zeitlos. Es gibt heute kaum etwas grundlegendes zu sagen, was dieser nicht bereits im Jahre 1911 angesprochen hätte. Natürlich befindet sich heute die Wissenschaft auf einem weit höheren Stand als vor einhundert oder zweihundert Jahren. Aber damals wie jetzt spielen immer wieder die selben Unsicherheitsfaktoren eine entscheidende Rolle bei Fehlurteilen: Glaubwürdigkeit, Richtigkeit von Zeugenaussagen, Wiedererkennen, Falschbeschuldigung, Selbstbezichtigung, falsche oder widersprüchliche Gutachten, Zurechnungsfähigkeit, Vorurteil, Einseitigkeit und Übereifer der Ermittler, Suggestion, Einfluß der Öffentlichen Meinung und der Politik oder die Frage der Beweiswürdigung. Der geplante analytische zweite Teil von Sellos Werk konnte wegen dessen frühen Todes leider nicht mehr erscheinen.

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