Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung / 1971
Christine Fabian, Michael Hollmann, Walter Naasner, Uta Rössel, Christoph Seemann
Im Jahre 1971 wurde der deutsch-deutsche Dialog in intensiven Gesprächen der Unterhändler Egon Bahr und Michael Kohl über Verkehrs- und Transitfragen weitergeführt. Daneben strebte die Bundesregierung nach den Gewaltverzichtsabkommen mit der Sowjetunion und Polen eine ähnliche Regelung mit der Tschechoslowakei an. Parallel dazu traten die Verhandlungen der Vier Mächte über eine Regelung der Berlin-Frage in eine entscheidende Phase. Zu den innenpolitischen Belastungen der sozial-liberale Koalition gehörten neben dem aufkommenden Extremismus und der aufgeheizten Diskussion über die Ost- und Deutschlandpolitik zunehmende Probleme, ambitionierte Reformprogramme in den Rahmen einer seriösen Haushalts- und Finanzplanung einzufügen. Ausufernde finanzielle Anforderungen der Bundesressorts, die auch durch Appelle des Bundeskanzlers nicht einzudämmen waren, führten zum Rücktritt von Bundesfinanzminister Möller, dessen Funktion von Bundeswirtschaftsminister Schiller als „Superminister“ mit übernommen wurde. Weitere wichtige Beratungsthemen im Bundeskabinett bildeten die geplante umfassende Steuerreform, die langfristige Aufgabenplanung, die Reform des Ehe- und Familienrechts sowie des Sexualstrafrechts, die Bildungs- und Ausbildungsförderung, der Wohnungsbau für Flüchtlinge und sozial schwache Bevölkerungskreise, europäische Währungsfragen und Maßnahmen zugunsten der Landwirtschaft.