Die Karlsruher Passion und das „Erzählen in Bildern“
Studien zur süddeutschen Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts
Wilfried Franzen
In der süddeutschen Tafelmalerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts suchte man nach neuen Wegen, dem gläubigen Betrachter die biblischen Geschichten nahezubringen. Er wurde angehalten, sich die einzelne Darstellung lange und intensiv anzuschauen, und gerade dadurch sein Blick auch für übergreifende Zusammenhänge geschärft. Wir Heutigen dagegen tun uns schwer mit dem Erfassen solcher zyklischen Darstellungsformen. Franzens Studie möchte durch eine Nahsicht auf die Werke deren Funktionsweise als „Bilderzählungen“ eruieren. Den Ausgangspunkt bildet eines der herausragenden Zeugnisse nordalpiner „Erzählkunst“ des 15. Jahrhunderts: die sieben Tafeln der sog. Karlsruher Passion, die der Straßburger Maler Hans Hirtz um 1450 für die St. Thomaskirche seiner Heimatstadt anfertigte. In bisher kaum gekanntem Ausmaß nutzte er die spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten des visuellen Mediums, um eine Geschichte wiederzugeben, Inhalte zu veranschaulichen und Sinnzusammenhänge zu verdeutlichen.