Die Maltechnik von Hans von Marées
Neuere Forschungen und die Rekonstruktion eines verschollenen Werkes
Jonas Vincent Ritter
Um die Maltechnik von Hans von Marées ranken sich noch immer zahlreiche Irrtümer und fälschlich aufgestellte Behauptungen, auch wenn die gröbsten Fehleinschätzungen, wie die völlig absurde Behauptung, Marées habe mit Teerfarben gearbeitet, eindeutig und unumstößlich ausgeräumt werden konnten. Leider gibt die Farbmaterie Marées immer wieder Anlass zu unangebrachten Mutmaßungen, welche sich wohl auch leider aufgrund des Umstandes, dass nur wenige seiner Gemälde gerade in Hinblick auf ihre genaue Bindemittelzusammensetzung untersucht und entsprechend publiziert worden sind, weiterhin hartnäckig halten können. Ein großes ungeklärtes Rätsel um Marées Maltechnik stellt nach wie vor die von Pidoll erstmals eingeführte „Firnisölfarbe“ dar, über deren Zusammensetzung und genaue Anwendung sowohl er, als auch die Untersuchungen Sonnenburgs 1986, keine tatsächlich konkreten Hinweise liefern konnten.
Eine echte Überraschung erlebte ich dann während der praktischen Arbeit an meiner Rekonstruktion des seit 1945 verschollenen „Urteils des Paris“ (ehemals Alte Nationalgalerie Berlin), welches heute nur noch in Schwarz-Weiß-Abbildungen existiert. In dem Buch möchte ich meine neuen aus dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse; im speziellen meine neue These, dass nahezu alle Bilder der Spätphase bei Marées praktisch reine Temperagemälde sind und nicht wie bisher angenommen, weiter mit anderen Medien überarbeitet wurden. Meinen Versuchen zufolge handelt es sich bei der gesamten Farbmaterie um Eigelbtempera, welche in eine Vielzahl noch feuchter Firnisschichten gemalt wurde. Ich bin zudem zu dem Schluss gekommen, dass die Technik, die Marées angewendet hat, keinesfalls, wie ebenfalls oft behauptet wurde, von technischem Unwissen zeugt – ich glaube, das exakte Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich um ein ganz eigenes Verfahren der Temperamalerei, welches Marées speziell für seine Bedürfnisse entwickelt hat, welches als solches in seiner Tragweite aber noch gar nicht erkannt wurde.