Die Masken aus der Nekropole von Lipari
Agnes Schwarzmaier
Das Buch „Die Masken aus der Nekropole von Lipari“ beschäftigt sich mit den außergewöhnlich zahlreichen und qualitätvollen Tonmasken von der Insel vor der sizilischen Nordküste, die bisher vor allem als Quellen für das Aussehen der verlorenen, im antiken griechischen Theater getragenen Masken Furore gemacht haben. Sie stammen aus dem 4. und frühen 3. Jahrhundert v. Chr. und werden hier erstmals als Funde aus einer Nekropole und damit als Zeugnisse für Bestattungsritual und Grabkult sowie die damit verbundenen Vorstellungen vom Tod betrachtet.Ausgangspunkt ist die Gattung der liparischen Masken als Ganzes. Die Stücke werden im ersten Teil des Buches als Erzeugnisse des lokalen Koroplastenhandwerks typologisch und chronologisch geordnet sowie hinsichtlich ihrer ikonographischen Besonderheiten befragt. Auch ihre Polychromie spielt eine Rolle. Zudem wird ihre Aussagekraft für das griechische Theaterwesen kritisch hinterfragt.Im zweiten Teil des Buches stehen die Masken in ihren Nekropolenkontexten im Blickpunkt. Auf der Grundlage des gegenwärtigen internationalen und fächerübergreifenden methodisch-theoretischen Diskurses zur wissenschaftlichen Auswertung von Nekropolen werden die Fundlage und Vergesellschaftung der Masken betrachtet. Aufgrund der starken Regelmäßigkeit, mit der bestimmte Beigaben in- und außerhalb der Gräber deponiert wurden, lassen sich zahlreiche Rückschlüsse auf den Ablauf des Bestattungsrituals ziehen, die sich mit den einschlägigen literarischen Belegen parallelisieren lassen. Der Vergleich mit anderen Nekropolen in Griechenland und Unteritalien mit ähnlichen Deponierungsregeln offenbart sowohl die zugrundeliegenden gemeinsamen Vorstellungen von der Funktion bestimmter Grabsitten als auch die außergewöhnlichen lokalen Eigenheiten in Lipari. Durch eine kulturanthropologische Perspektive, besonders den Vergleich mit traditionellen Bestattungssitten in ländlichen Gebieten Griechenlands und des Balkans, die bis vor kurzem noch praktiziert wurden, wird die Deutung unterstützt.Denn es zeigt sich, dass die Masken fast grundsätzlich zusammen mit einem Symposionsgeschirrset für eine Person – den Verstorbenen oder die Verstorbene – am Kopfende außerhalb der Sarkophage oder Urnen abgelegt wurden. Allerdings ergänzten sie bei nur ca. 5 Prozent der Bestattungen das Geschirrset und konnten durch dionysische Tonstatuetten („Theaterterrakotten“) ersetzt werden. Daher kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Masken nicht unmittelbar auf das Theater zu beziehen sind, sondern als Kultsymbole des Gottes Dionysos auf ein Symposion unter seinem Schutz verweisen, das möglicherweise erst im Jenseits gefeiert werden sollte.