Die Mutter meiner Mutter
Sabine Rennefanz
Von der Autorin des SPIEGEL Bestsellers „Eisenkinder“Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst.Eines Abends überfällt Friedrich Stein Anna auf dem Dachboden des Hauses. Neun Monate später bekommt sie ein Kind. Für Anna scheint die Welt zu enden. Sie versteinert. Und schweigt. Die Kosakenberger zwingen Friedrich, Anna zu heiraten. Anna, damals 18, hat keine Wahl. Zwar weiß das ganze Dorf von dem Verbrechen, mit dem die Ehe begann, die Töchter und Enkel aber sollen nie davon erfahren. Auch nach Friedrich Steins Tod und dem Ende der DDR hält Anna ihr Schweigen aufrecht. Warum? Und was macht die Wahrheit mit den Töchtern und Enkelinnen der Steins, als sie sie zwanzig Jahre nach dem Tod des Großvaters völlig unerwartet erfahren?Sabine Rennefanz erzählt Anna Steins bewegende Geschichte aus der Perspektive der Enkelgeneration. Brutalität und Gewalt gab es nach dem Krieg in vielen Familien, sie wirkt in den Kindern und Enkeln immer noch nach. Und wie in Annas Fall wurde fast immer weggesehen und geschwiegen.