Die neuesten Fortschritte der Zuschneidekunst.
Zur Formalisierung der Schnitttechnik im Schneidergewerbe im 19. Jahrhundert.
Lilly-Britt Weiß
Das traditionelle und „geheime“ Erfahrungswissen des Schneiders im Bereich der Zuschneidekunst war bis ins 19. Jahrhundert in der Meisterwerkstatt situiert. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung wurde diesem technisch-gestalterischen Wissen bis zur Jahrhundertwende ein formalisiertes Wissen an die Seite gestellt, das universell anwendbar sein sollte. Dieses besitzt bis heute Gültigkeit, ersetzt jedoch nicht das implizite, auf Erfahrungen beruhende Wissen.
In dieser Studie werden die historische Vielfalt der Wissensformen der Zuschneidekunst und der Formalisierungsprozess dieses Wissens nachgezeichnet. Im Zentrum der Betrachtung stehen konkrete historische Prozesse, Örtlichkeiten und Personen im Wirkungskreis der 1850 in Dresden gegründeten Europäischen Moden-Akademie, der ersten höheren Bildungseinrichtung für das Schneidergewerbe im deutschsprachigen Raum. Die Systematisierung des Wissens erfolgte in einem konstruktiven Dialog unter den Schneidern und lebte von der Rückschau, der Identifizierung des Gegenwärtigen sowie von der Motivation, die Zukunft des Gewerbes zu gestalten. Hierbei bildete sich eine Forschungs- und Lehrpraxis heraus, die auch heute noch die Grundlage für die Ausbildung eines, nun als „Ingenieurwissenschaft“ definierten Wissens im Bereich der Bekleidungstechnik ist.
Als Historikerin, Ingenieurin und Gestalterin leistet die Autorin mit dieser Arbeit einen Beitrag zur Bewahrung und Nutzbarmachung handwerklichen Wissens als essentielles und konstituierendes Element der technisierten Welt.